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Der frühere Wimbledon-Sieger Boris Becker (l.) und der frühere Davis-Cup-Gewinner Patrik Kühnen moderieren für Sky.

© Sky Deutschland AG und Sky Deuts

Wimbledon-TV: Aufschlag Becker

350 Stunden berichtet Sky aus Wimbledon. Ohne Stars von gestern geht es nicht. Ein Urgestein des deutschen Sportfernsehens ist auch dabei.

Boris Becker war angefressen. Im Rahmen der Live-Sendung „London Calling“, die der Pay-TV-Sender Sky täglich nach seiner Übertragung aus Wimbledon ausstrahlt, wollte Moderator Ulli Potofski Becker auf die Waage stellen. Nun ist der mit künstlichen Hüftgelenken ausgestattete Becker schon lange nicht mehr im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte, Bewegung aller Art bereitet ihm sichtbar Schmerzen. Und sein Gewicht in einem solchen Zustand live vor Fernsehkameras ermitteln zu lassen, empfand Becker nicht eben als sensibel.

„Im Nachhinein muss ich zugeben, dass das keine gute Idee war“, sagt Potofski ein paar Tage nach dem Fauxpas. Sein Sender ist angewiesen auf die Prominenz eines Boris Becker, erst recht, da beim wichtigsten Tennisturnier der Welt längst kein deutscher Spieler mehr vertreten ist. Und Becker gehört nicht zum Team von Sky in Wimbledon, er ist im Hauptberuf Trainer des Weltranglistenersten Novak Djokovic.

Sky wird bis zum Turnierende am Sonntag rund 350 Stunden live und exklusiv vom Turnier berichtet haben – und das auf bis zu fünf Kanälen gleichzeitig immer vom ersten bis zum letzten Ballwechsel. Noch bis 2018 gilt der Vertrag mit dem All England Lawn Tennis and Croquet Club (AELTC), es ist das einzige Tennisturnier, das Sky in seinem eigenen Sportprogramm zeigt. 15 Kommentatoren sind im Einsatz, keiner davon allerdings in Wimbledon. „Wir haben uns dagegen entschieden, weil es fast keinen Unterschied macht, ob wir die Spiele aus München oder aus der Sprecherbox auf dem Centre Court kommentieren“, erklärt Dirk Grosse. Der Sky-Sportkommunikationschef fügt hinzu: „Für die Interviews haben wir mit Ulli Potofski, Patrik Kühnen und drei weiteren Kollegen von Sky Sport News HD genügend Leute vor Ort.“ Und es gebe ja auch noch „London Calling“.

Der 63-Jährige ist ein Urgestein im deutschen Sportfernsehen

Die „Wimbledon-WG“, wie sie Sky anpreist, ist tatsächlich eine Wohngemeinschaft. Hier wohnt das Sky-Team während der zwei Wochen des Turniers. In Hörweite zur Anlage werden jeden Abend die Geschehnisse des Tages von Potofski, Kühnen und Gästen analysiert. Dabei geht es betont locker zu. „Viele Journalisten nehmen sich und den Sport zu ernst. Unsere Art ist eher unterhaltend, aber da gehen die Meinungen natürlich auseinander, ob das immer so gut funktioniert“, erklärt Potofski. Der 63-Jährige ist ein Urgestein im deutschen Sportfernsehen. Schon Ende der 80er Jahre präsentierte er Tennis bei RTL, damals unter ganz anderen Bedingungen mit deutschen Spitzenspielern. Potofski erinnert sich an diese Zeiten mit glänzenden Augen. 1989 sei für ihn das persönlich schönste Erlebnis gewesen, als Becker und Steffi Graf beide an einem Tag in London siegten.

Das ist lange vorbei. Tennis in Deutschland ist ein Nischenprogramm. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich schon vor Jahren aus der Berichterstattung verabschiedet. 2013 unternahm die ARD einen halbherzigen Versuch, zumindest das Wimbledon-Endspiel mit Sabine Lisicki per Sublizensierung live zu übertragen. Sky lehnte ab.

Kein Aufschrei mehr

„Der AELTC ist vor allem interessiert daran, dass so viel wie möglich vom Turnier live übertragen wird. Das könnten ARD und ZDF gar nicht leisten – und wollen es derzeit auch nicht. Daher sind wir für die Briten der bestmögliche Fernsehpartner“, erklärt Dirk Grosse. Tatsächlich gibt es heute keinen Aufschrei mehr, wenn von Wimbledon im Free-TV nichts zu sehen ist. Tennis löst in Deutschland keine Begeisterung mehr aus, in der Rangliste der beliebtesten Sportarten steht es hierzulande gerade noch auf Platz zwölf.

Trotzdem hält Sky an den Übertragungen fest. Das exklusive Turnier passt zum Portfolio hochwertiger Sportevents, die die Münchner ihren Abonnenten präsentieren. Einschaltquoten für die Live-Übertragungen werden nicht genannt, die müssen einen Bezahlsender auch nicht interessieren. Ein erfolgreicher Nachfolger von Graf, Becker oder Stich würde das Produkt allerdings wieder spannender machen. „Um Tennis in Deutschland ist es derzeit vielleicht nicht so gut bestellt, aber sobald wir wieder einen Topspieler haben, kann sich das ganz schnell ändern. Bei Sabine Lisicki hat man das ja vor zwei Jahren gesehen“, sagt Potofski. Aktuell ist das 30-jährige Jubiläum von Beckers erstem Sieg aus deutscher Sicht das interessanteste Ereignis. Ulli Potofski kann sich daran noch gut erinnern, der Triumph fiel auf seinen Geburtstag. Den feiert er nun fast jedes Jahr in London. Und Becker-Fan ist er weiterhin. Kleine Eskapaden wie die mit der Waage in der „Wimbledon-WG“ erhalten da nur die Freundschaft.

Die Kosten dieser Pressereise wurden vom TV-Sender Sky übernommen.

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