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Vermisst: 26 deutsche Passagiere in vermisster Air-France-Maschine

Ein Airbus 330 der französischen Fluggesellschaft Air France mit 228 Menschen an Bord ist vor der Küste Brasiliens von den Radarschirmen verschwunden und offenbar abgestürzt. Über die Ursachen wird noch gerätselt. Auch 26 deutsche Passagiere sollen an Bord sein. Ein Passagier wurde in Berlin am Flughafen Tegel erwartet.

„Retardé“ – „verspätet“ – zeigte die elektronische Anzeigetafel in der Ankunftshalle des Terminals 2E für den Flug AF 447 aus Rio de Janeiro an, der am Montagvormittag um 11.10 Uhr am Pariser Flughafen Charles de Gaulle landen sollte. Auch nach der planmäßigen Landezeit gab es keine Informationen zu der Verspätung. Erst um 11.53 Uhr machte die Fluggesellschaft Air France dunkle Ahnungen mit einer kurzen Mitteilung zur Gewissheit: Der Flug, der am Sonntagabend um 19 Uhr (0 Uhr mitteleuropäische Sommerzeit) in Rio gestartet war, war irgendwo über dem Atlantik verschwunden. „Air France bedauert mitteilen zu müssen, dass es ohne Nachricht von Flug AF 447 ist“, hieß es in der Erklärung.

Was mit dem Flugzeug, zu dem es keinen Kontakt mehr gab, geschehen war, wurde zum Gegenstand vieler Hypothesen. Ein Triebwerksschaden? Ein Brand an Bord? Eine Explosion? Ein Terroranschlag? Nichts wurde von den Experten, die in Rundfunk- und Fernsehnachrichten zu dem mysteriösen Vorfall befragt wurden, ausgeschlossen. Dabei wurde einem Terrorakt allerdings die geringste Wahrscheinlichkeit zugebilligt.

Ein Flughafensprecher äußerte die Vermutung, dass es sich um den Ausfall des Transponders, des automatisch sendenden Funkgeräts, handeln könnte, weshalb durchaus Hoffnung bestehe, dass die Maschine sich noch nirgendwo über dem Atlantik in der Luft befinde. Dem setzte der für Umwelt und Verkehr zuständige Minister Jean-Louis Borloo am Mittag in einem Rundfunkinterview eine pessimistische Version entgegen. „Es ist schrecklich“, sagte er, „aber unglücklicherweise ist das Schlimmste zu befürchten.“ Die Treibstoffvorräte des Flugzeugs seien längst aufgebraucht.

Unglücksursache bleibt ungeklärt

Am frühen Nachmittag setzte Air-France-Chef Pierre-Henri Gourgeon dann den ins Kraut schießenden Spekulationen über eine eventuelle Explosion oder einen Terrorakt ein Ende. Um 3.30 Uhr mitteleuropäische Sommerzeit habe die Maschine zum letzten Mal einen Funkkontakt mit der brasilianischen Flugkontrolle gehabt, teilte er in einer Pressekonferenz mit. Danach sei die Maschine in starke Turbulenzen geraten. Um 4.15 seien mehrere Funksprüche empfangen worden, aus denen hervorgehe, dass mehrere elektrische Komponenten an Bord ausgefallen seien. „Möglicherweise war Blitzeinschlag die Ursache“, sagte Gourgeon. Das allerdings wird von Experten bezweifelt. Ein Flugzeug wirke – einem Auto ähnlich – wie ein so genannter Faradaykäfig, erklärte der Sprecher der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit. Der Blitz suche sich den kürzesten Weg und trete wieder aus. Die Technik bei modernen Passagierjets sei so geschützt, dass sie von Blitzeinschlägen fast nie beeinträchtigt werde. Dass die unabhängig voneinander arbeitenden elektrischen Systeme gleichzeitig ausfielen, sei höchst unwahrscheinlich. Viel gefährlicher seien Turbulenzen, weshalb Piloten stets versuchten, Gewitterfronten zu umfliegen.

Unter den 216 Passagieren waren laut Air France 82 Frauen, sieben Kinder und ein Baby. An Bord waren neben Brasilianern und Franzosen auch Italiener und Bürger anderer Länder. Die Bundesregierung hatte zunächst keine Hinweise auf deutsche Passagiere an Bord – nach Angaben des für Verkehr zuständigen französischen Umweltministers Jean-Louis Borloo befanden sich jedoch 26 Deutsche unter den Passagieren.

Laut der brasilianischen Zeitung "O Globo Online" sollen sich unter anderem Mitarbeiter des Reifenherstellers Michelin an Bord der Maschine befinden, darunter auch der Südamerikachef. Unter den Passagiere sollen ein Nachfahre der ehemaligen brasilianischen Königsfamilie, der Leiter des Sinfonieorchesters von Rio de Janeiro und ein deutscher Manager der Thyssen Group sein.

Absturzort bis auf wenige Seemeilen lokalisiert

Zwei Passagiere hatten Glück im Unglück. Joao Marcelo Calaca durfte nicht an Bord, da sein Reisepass abgelaufen war. Daraufhin entschied sich sein amerikanischer Freund, ebenfalls nicht zu fliegen. Gegenüber der brasilianischen Zeitung erklärte Calaca: "Mir ist noch nicht bewusst, was passiert ist. Mir fällt es schwer, meine Gefühle einzuordnen. Auf der einen Seite bin ich sehr froh, am Leben zu sein. Andererseits bin ich sehr traurig für die Familienangehörigen, die Antworten suchen." Auch ein französisches Paar kann sein Glück kaum fassen. Beide bekamen keinen Platz mehr in der Unglücksmaschine, obwohl sie "Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt" hätten, um noch in der Maschine mitzukommen, erklärten sie am Montag.

Der mögliche Absturzort befindet sich vermutlich auf halbem Weg zwischen der brasilianischen und der afrikanischen Küste. Die Zone, in der das Flugzeug verschwunden sei, sei dort bis auf wenige Dutzend Seemeilen lokalisiert, sagte Air-France-Chef Pierre-Henri Gourgeon am Montagabend auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle vor Journalisten. Gefunden wurde das Flugzeug jedoch noch nicht. Am Pariser Flughafen wurde ein Krisenzentrum eingerichtet, in dem Angehörige von Passagieren über eine Telefonnummer Auskünfte erhalten konnten und wo sich Psychologen um die Betreuung von Familienmitgliedern kümmerten, die zum Abholen von Angehörigen gekommen waren. Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte sofort nach Bekanntwerden des Verschwindens des Flugzeugs außer Umwelt- und Verkehrsminister Borloo auch den Verkehrsstaatssekretär Dominique Busserau an den Flughafen beordert.

Die brasilianische Luftwaffe und eine in der senegalesischen Hauptstadt Dakar stationierte französische Militärmaschine nahmen an der 300 Kilometer von der brasilianischen Küste vermuteten Absturzstelle die Suche nach dem Unglücksflugzeug auf. (mit dpa/AFP)

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