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Tube in London

© dpa

Alkoholverbot: Die große Sause

Zukünftig darf in der Londoner "Tube" nicht mehr getrunken werden. Dagegen gab es eine feuchtfröhliche Protestaktion: Eine Massenparty in der U-Bahn - mit jeder Menge Alkohol.

Wo sind die Toiletten? Es eilt. Der verschwitzte Mann zappelt. In der Hand hält er ein Dosenbier, nicht sein erstes in dieser Nacht. Sein grasgrünes Poloshirt ist nass, Bierflecken überall. Doch Toiletten gibt es hier nicht. In der Londoner U-Bahn gibt es an diesem Abend nicht mal freie Ausgänge – die Züge sind voll, die Bahnhöfe auch. Wer raus will, muss sich den Weg durch schwitzende Massen bahnen. In den engen Tunneln und schmalen Zügen steht die feuchtwarme Luft über Pfützen von verschüttetem Bier. „Wie in der Sauna“, sagte eine Touristin – mehr verblüfft als verärgert. Tausende Briten haben in der Nacht zum Sonntag gegen das ab 24 Uhr geltende Alkoholverbot in der Londoner U-Bahn protestiert – und sich in den Waggons betrunken. Polizisten sicherten die Bahnsteige. Sechs Stationen, darunter die stark genutzte Liverpool Street, mussten stundenlang gesperrt werden. Dort blockierten 2000 trinkfeste Protestierer in Partylaune die Gleise. In der Innenstadt hatten zehntausende Londoner auf verspätete U-Bahnen warten müssen – mit britischer Gelassenheit. Selbst als sich vereinzelt Feierfreunde in den Waggons übergaben, hieß es: Nase zuhalten und abwarten.

Der junge Mann mit dem grasgrünen Poloshirt versichert den dicht gedrängten Fahrgästen beruhigend: „Don’t worry, I just need a toilet!“ – nur eine Toilette sei nötig, übergeben müsse er sich nicht. Seine Freunde lachen, nippen an ihren Bierdosen und erzählen stolz, sie hätten sich schon vor einer Stunde auf dem Bahnhof erleichtert – in einen Papierkorb. Immerhin nicht auf dem Bahnsteig, was in dieser Nacht auch vorgekommen ist.

Alkoholverbot stammt vom neuen Oberbürgermeister

Die Massenparty in Londons U-Bahn war über das Internet organisiert worden. Studenten hatten auf der Online-Plattform „Facebook“ dazu aufgerufen, sich mit Bier einzudecken. Einige mixten in den U-Bahnen sogar Cocktails. Oder griffen zu Champagner. Britische Medien griffen die Ankündigung in freudiger Erwartung einer ereignisreichen Nacht auf. Und warben so für die nicht genehmigte Aktion. Formal haben sich ab Mitternacht all diejenigen strafbar gemacht, die mit offenen Flaschen und Dosen die Bahnhöfe betreten haben. Geldstrafen drohen aber nur theoretisch – bei den tausenden Delinquenten wäre die Justiz überfordert.

Das Alkoholverbot in der Londoner „Tube“ ist eine der ersten Amtshandlungen des neuen Oberbürgermeisters Boris Johnson. Von nun an sind offene Gefäße mit Alkohol in Bussen und Bahnen tabu. Der Konservative will damit „asozialem Verhalten“ vorbeugen. Jedes Wochenende betrinken sich hunderttausende junger Briten noch vor Mitternacht bis zum Vollrausch. Das sogenannte „Binge Drinking“ – Kampftrinken – geht oft mit Schlägereien einher. Auch in der Nacht zum Sonntag prügelten sich Betrunkene, sieben Bahnmitarbeiter und drei Polizisten wurden angegriffen. Laut BBC wurden 17 Menschen festgenommen. Allerdings traten auch tausende Betrunkene friedlich den Heimweg an. Dem jungen Mann im grasgrünen Poloshirt ist es in der Bahn zu voll, der Zug steht ohnehin seit 20 Minuten auf dem Gleis, weil die Türen wegen der Überfüllung nicht zugehen. So quellen immer wieder Menschen aus den Waggons, schnappen nach Luft, nur, um sich anschließend wieder reinzudrängeln. Der Mann im grünen Poloshirt und seine Freunde steigen aus und treten schwankend den Heimweg an.

Übrigens ist Alkohol auch in den Berliner U-Bahnen verboten. Aber das verfolgt keiner. Wenn der Senat die populistische Politik des neuen Londoner Bürgermeisters imitieren würde, wäre das vielleicht auch in Berlin der Startschuss für Saufpartys in der U-Bahn.

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