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Der afroamerikanische US-Rapper Kanye West - hier im August 2016 - meldet sich zurück.

© Chris Pizzello/Invision/dpa

Bizarre Aussagen zur Sklaverei: Kanye West – der personifizierte Größenwahn

Lange war es still um den US-Rapper Kanye West. Jetzt verstört der selbsterklärte US-Präsidentschaftskandidat mit Aussagen zur Sklaverei.

Was macht eigentlich der Rapper und Geschäftsmann Kanye West, fragte man sich zuletzt immer mal wieder, da es sehr still um ihn geworden war. Erst recht wunderte man sich, als ihm der kanadische, in derselben Großpopliga spielende Kollege Drake mit seinem Video zu dem Stück „God’s Plan“ in puncto Größenwahn ganz ernsthaft den Rang abzulaufen drohte – Drake inszeniert sich darin als Gottes Stellvertreter und oberster Wohltäter auf Erden und verschenkt vor laufender Kamera auf Miamis Straßen eine Million Dollar.

Doch seit einigen Tagen ist der 40-jährige West wieder auf allen Kanälen zu sehen, zu hören und zu lesen. Was vielleicht mit Drakes Erfolg zu tun hat, den Schlagzeilen, die sein ekliges Video produziert hat. Ganz sicher jedoch noch mehr damit, dass West gerade zwei neue Songs veröffentlicht und für Anfang Juni auch ein neues Album angekündigt hat, auf welches in den Monaten darauf gleich vier weitere folgen sollen, das fiele unter produktiver Größenwahn. Ach ja, ein seltsam pseudophilosophischer Ratgeber für eine ausgeglichene Work-Life-Balance steht ebenfalls noch in der aktuellen Veröffentlichungsliste.

Eine der beiden neuen veröffentlichten Tracks versteht sich als explizit politisch und heißt „Ye vs. People“. Darin zeigt sich West, der vor einem Jahr verkündet hatte, Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen seine Stimme gegeben zu haben, einmal mehr als Trump-Fan und diskutiert, anhebend mit den Zeilen „I know Obama was heaven-sent/But ever since Trump won/It proved that I could be president“, mit dem Rap-Kollegen T.I., warum es für das schwarze Amerika keine Notwendigkeit und auch keine Selbstverständlichkeit sein muss, gegen Trump zu sein und automatisch die Demokraten wählen zu müssen.

„Dass er gewonnen hat beweist, dass in Amerika alles möglich ist“, schickte West anschließend in einem Interview erklärend hinterher, versicherte, immer auf Seiten der Außenseiter zu stehen, erzählte, dass der Kollege Snoop Dogg, der vor kurzem mit einem toten Trump auf dem Cover seines Albums „Make America Crip Again“ Schlagzeilen gemacht hatte, früher ein glühender Trump-Verehrer gewesen sei – und unterstrich all diese Aussagen noch, indem er sich mit einer „Make America Great Again“-Kappe ablichten ließ und das Foto in den sozialen Medien postete.

Kanye West provoziert mit seinem Statement zur Sklaverei

Nun ist Wests Liebe zu Trump nicht unbedingt mehr groß der Rede und Aufregung wert – tatsächlich war Trump früher in Rap-Texten eine gern verehrte Figur, wie West ebenfalls betonte –, wäre der Rapper nicht kurz darauf noch in die Räume des Klatschportals „TMZ“ gestiefelt, um der eigenen Großmannssucht und vermeintlichen Freidenkerei abermals Genüge zu tun.

Nicht nur, dass West sich dort anmaßte, die ganze Welt zu repräsentieren, nicht bloß Hip-Hop und die schwarze Community – was sowieso kaum noch jemand aus dieser glaubt oder gar will –, nein, West versuchte sich auch als Historiker und sagte: „Wenn man von über 400 Jahre langer Sklaverei hört: 400 Jahre lang? Das klingt für mich nach eigener Wahl“. Will heißen: Selbst Schuld, liebe Schwestern und Brüder.

Diese Aussage löste noch während des Interviews bei TMZ für Empörung aus, innerhalb der Belegschaft des Portals, die West Verantwortungslosigkeit vorwarf, aber auch für einen Sturm der Entrüstung bei Twitter, Instagram, Facebook und Co. West schränkte danach zwar bei Twitter ein, dass er natürlich wisse, „dass Sklaven nicht aus freien Stücken auf Boote verfrachtet wurden“.

Er fügte jedoch hinzu: „Aber so lange in dieser Position zu bleiben, obwohl wir eine große Masse auf unserer Seite hatten, zeigt, dass wir mental gefangen waren.“ Und er beendete diesen Tweet mit dem Satz, natürlich in eigener Sache: „Even the statement was an example of free thought.“

Die Trump-Begeisterung kommt bei West nicht von ungefähr

Nun könnte man meinen, Kanye West sei ein Sklave seiner seit nun schon einigen Jahren bestehenden gedanklichen Wirrnis, von wegen freier Gedankenwahl. Und doch werden seine Äußerungen von der schwarzen Community in den USA auf schärfste zurückgewiesen.

Sie weiß, dass West einfach zu prominent ist, seine Musik, wie zum Beispiel der eigenwillig-obskure Track „Lift Yourself“, in dem West sich über ein entlegenes, aber großartiges Soul-Sample aus den siebziger Jahren im Scatten und als Jazz-Improvisator versucht, zu interessant und gut ist, zu viele Leute erreicht, als dass man ihn einfach so reden lassen und ignorieren könne.

Zumal es gar nicht falsch sein kann, den Anfängen zu wehren. Denn gerade die Trump-Begeisterung kommt bei West nicht von ungefähr, und eben nicht, weil es bei den beiden arg viele politische Gemeinsamkeiten gibt. Es ist das Selfmade-Man-Gehabe von Trump, das West beeindruckt, nicht die Sorge um das ach so kleine Amerika gerade.

Es ist die Tatsache, dass Donald Trump das geschafft hat, wovon Kanye West seit längerem nicht nur träumt, sondern wohl ernsthaft in Erwägung zieht: sich als Präsidentschaftskandidat der Republikaner aufstellen zu lassen – das Geld für eine lange Kandidatur hat er ja – und wirklich Präsident werden zu wollen. Wie lautete einer seiner knappesten Tweets in den vergangenen Wochen: „2024“.

Das würde für das Trump-geplagte Amerika, die Trump-geplagte Welt bedeuten: Von einem schlimmen Regen in eine vermutlich noch schlimmere Traufe zu kommen.

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