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Polen: "Das ist eine große Tragödie"

Beim schwersten Grubenunglück in Polen seit fast 30 Jahren sind alle 23 verschütteten Bergleute ums Leben gekommen. Solidarnosc erhebt schwere Vorwürfe gegen die Regierung.

Warschau - Zwei Tage nach der Schlagwetterexplosion im Bergwerk Halemba bei Kattowitz im Süden des Landes wurden am Donnerstag 17 weitere Leichen geborgen. "Wegen der Wucht der Explosion hatten die Verschütteten kaum eine Überlebenschance", sagte ein Sprecher der staatlichen Betreibergesellschaft des Kohlebergwerks. Die Gewerkschaft Solidarnosc warf der Regierung vor, durch Sparauflagen an die Bergwerksbetriebe Mitschuld an dem Unglück zu tragen: Die meisten der zwischen 21 und 59 Jahre alten Opfer seien bei schlechter Bezahlung von einem Subunternehmen angestellt und für ihre schwierige Arbeit ungenügend ausgebildet gewesen.

Nur drei der insgesamt 26 Kumpel, die zum Zeitpunkt der Explosion am Dienstag in dem Unglücksschacht im Einsatz waren, konnten sich retten. Bis Mittwoch wurden sechs teilweise bis zur Unkenntlichkeit verkohlte Leichen geborgen. Die Suche nach den übrigen Verschütteten gestaltete sich schwierig und musste wegen der hohen Methangas-Konzentration, die eine erneute Explosion befürchten ließ, und der extremen Temperaturen im Schacht immer wieder unterbrochen werden. Lebenszeichen hatte es nach dem Unglück nicht mehr gegeben.

"Größtmöglicher Profit"

Die Männer waren im Auftrag einer externen Firma mit Vorbereitungsarbeiten zur Schließung des Stollens beschäftigt, der im März schwer beschädigt worden und seitdem geschlossen war. Nach Angaben der Gewerkschaft Solidarnosc sollten sie wiederverwertbares Baumaterial im Wert von 18 Millionen Euro aus dem Schacht holen. Die Bergwerksleitung habe sich für die billigste Lösung entschieden um den größtmöglichen Profit einzufahren, sagte der zuständige Gewerkschaftsvertreter Kazimierz Grajcarek. Er warf der Regierung vor, auf die Leitung der staatlichen Grube Spardruck auszuüben.

Am Grubeneingang brannten hunderte Kernzen, die zumeist von Arbeitern während des Schichtwechsels aufgestellt wurden. "Das ist eine große Tragödie", klagte Bergarbeiter Anton Malejczyk, der am Morgen gerade seine Schicht in einem anderem Schacht beendete, als die letzten Leichen aus dem Unglücksstollen zu Tage befördert wurden. "Die Leute erzählen, dass die Leichen miteinander verschmolzen waren", sagte er unter Tränen, bevor er mithalf, die in schwarze Leichensäcke gehüllten Opfer wegzutragen.

Trauer in Polen

Geistliche und Psychologen leisteten verzweifelten Angehörigen Beistand. Präsident Lech Kaczynski erklärte den Donnerstag zum Staatstrauertag. Alle Feste und Feierlichkeiten im Land wurden abgesagt. Jede Familie, die bei dem Unglück einen Angehörigen verloren hat, soll eine Entschädigung von umgerechnet bis zu 3000 Euro bekommen. Der Monatslohn der Bergarbeiter lag nach Gewerkschaftsangaben bei etwa 400 Euro.

Das Unglück im dem 1957 gegründeten Bergwerk in Ruda Slaska im schlesischen Kohlegürtel ist der schwerste Grubenunfall in Polen seit 1979. Damals starben 34 Kumpel im wenige Kilometer nördlich gelegenen Bergwerk Bytom (Beuthen). In Polen wird mehr als die Hälfte der Kohle der Europäischen Union gefördert. Die Preise für den Rohstoff hatten in den vergangenen Jahren spürbar angezogen. Im vergangenen Jahr lag die polnische Produktion bei 98 Millionen Tonnen. Dafür haben in dem Land in diesem Jahr insgesamt schon 43 Bergleute mit dem Leben bezahlt. (tso/AFP)

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