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Glücklich in Deutschland: Jens Söring mit Unterstützern am Flughafen Frankfurt/Main

© Reuters/Thorsten Wagner

Jens Sörings Rückkehr nach 33 Jahren US-Haft: „Hach Gott, ist das schön!“

Der wegen Doppelmordes verurteilte Ex-Häftling Jens Söring ist nach 33 Jahren zurück in Deutschland. Nun will er erst einmal zur Ruhe kommen.

Jens Söring muss gleich noch einmal in den dezembergrauen Himmel schauen. „Hach Gott, ist das schön!“, ruft er aus, Applaus brandet auf, die Kameras klicken. Am Frankfurter Flughafen haben sich am Dienstagmittag rund ein Dutzend Freunde und Unterstützer und noch mehr Journalisten versammelt, um Söring nach seiner Ankunft in Empfang zu nehmen. „Das ist der schönste Tag in meinem Leben. Ich bin froh und dankbar“, sagt der 53-Jährige. Er sei überwältigt und müsse nun erst einmal zur Ruhe kommen. „Ich muss hier psychologisch und emotional ankommen in Deutschland.“ Die Strapazen merkt man ihm auf den ersten Blick nicht an. Söring sieht jugendlich aus in seiner dunklen Kapuzensteppjacke, weißem T-Shirt, große Brille.

Was für ein Moment muss das für ihn sein. Das Land, in dem er geboren wurde, hat Söring seit mehr als drei Jahrzehnten nicht mehr gesehen. „Seit 33 Jahren, sechs Monaten und 25 Tagen“, wie er anmerkt. In all diesen Jahren hat Söring im Gefängnis gesessen, die meiste Zeit davon in den USA. Mal mit mehr, mal mit weniger Hoffnung freizukommen. Immer wieder haben sich diese Hoffnungen zerschlagen.

Söring glaubte an Schutz durch Immunität

Der Fall Jens Söring ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahrzehnte. 1990 war der damals 18-jährige Söring in den USA wegen Mordes an den Eltern seiner Freundin zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Bonner Diplomatensohn hatte die Morde zunächst gestanden, später aber das Geständnis widerrufen. Er habe gestanden, um seine damalige Freundin vor der Todesstrafe zu beschützen – und weil er geglaubt habe, diplomatische Immunität zu besitzen, sagte er später. Sein Vater war damals deutscher Konsul in Detroit. Bis heute beteuert er seine Unschuld.

Das zuständige Gremium im US-Bundesstaat Virginia hatte im November entschieden, Söring auf Bewährung freizulassen und abzuschieben. Begnadigt wurde er aber nicht. In Deutschland ist der Ex-Häftling ein freier Mann. In die USA darf er nie wieder einreisen. Und auch seine Aussichten auf Haftentschädigung sind gering. Die gebürtige Kanadierin Haysom soll ebenfalls abgeschoben werden.

Festgenommen worden waren Söring und seine damalige Freundin Elizabeth Haysom 1986 in Großbritannien. Dorthin waren sie geflüchtet, als sie wegen des Mordes unter Verdacht gerieten. Großbritannien stimmte der Auslieferung Sörings an die USA nur unter der Bedingung zu, dass die Todesstrafe nicht verhängt wird. Haysom wurde wegen Anstiftung zum Mord zu zweimal 45 Jahren Haft verurteilt. Der Fall erregte in den USA und international viel Aufmerksamkeit und polarisiert noch immer. Der ehemalige US-amerikanische Strafverteidiger Andrew Hammel zweifelt beispielsweise nicht an Sörings Schuld. „Bei der Beweislage wäre Söring zweifelsohne auch in Deutschland für schuldig befunden worden“, schrieb er unlängst in der „FAZ“. Er spricht von einem „Mythos von Sörings Unschuld“, der in den deutschen Medien besonders populär sei.

„Überwältigt, aber ziemlich fit“

Viele Deutsche halten das Ganze für einen fatalen Justizirrtum und setzen sich seit Jahren für Sörings Freilassung ein. Doch diverse Bemühungen um Wiederaufnahme, Begnadigung oder Überstellung nach Deutschland blieben erfolglos. Bis Ende November dann auf einmal alles anders war.

Auch Peter Beyer ist zum Frankfurter Flughafen gekommen, auf Bitten des Freundeskreises, wie er betont. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und transatlantische Koordinator der Bundesregierung gehört zu einem informellen Kreis von Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft, die den Kontakt gehalten haben. Beyer hat Söring selbst auch mehrfach im Gefängnis in Virginia besucht.

Am Telefon berichtet er von seinen ersten Eindrücken. „Söring wirkte überwältigt, aber ansonsten ziemlich fit“, sagt er. Und natürlich überglücklich. Nach dem Pressestatement habe er im kleinen Kreis noch von den aufregenden letzten Tagen und Stunden erzählt. Bis zum Schluss habe er Angst gehabt, dass er vielleicht doch nicht nach Deutschland kommen dürfe. „Erst, als er im Flieger saß, hat er so richtig dran geglaubt.“ Vom Flugzeug, einer regulären United-Airlines-Maschine aus der amerikanischen Hauptstadt Washington kommend, sei er dann von einem Auto abgeholt worden, um sich erst einmal in Ruhe sammeln zu können. Die Maschine sei etwas zu früh gelandet.

Söring will erst einmal etwas abtauchen

Als nächstes werde Söring nun nach Hamburg reisen, erzählt Beyer, wo er bei Freunden unterkomme, die ihn finanziell bei seinem Neuanfang unterstützen. Mit diesen Freunden wolle er dann auch Urlaub machen, „im sonnigen europäischen Süden“, wie Beyer sagt. Genaueres soll nicht bekannt werden, damit er sich auch wirklich erholen könne. „Im neuen Jahr wird er dann bald auch mal nach Berlin kommen“, kündigt Beyer an.

Dass Söring aus der Öffentlichkeit verschwinden wird, ist ohnehin eher unwahrscheinlich. Er hat bereits mehrere Bücher geschrieben, und es ist zu erwarten, dass er im Fernsehen auftreten und über seinen Fall sprechen wird. Aber erstmal will er abtauchen und sich bei denen bedanken, die nie aufgegeben haben. An die Medien appelliert Söring: „Bitte geben Sie mir etwas Ruhe, um mit meinen Freunden zu sein und um hier anzukommen.“ Ohne die Menschen, die ihn unterstützten, hätte er es nie geschafft.

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