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Eine Prostituierte wartet auf ihrem Zimmer in einem Bordell auf Kundschaft.

© Andreas Arnold/dpa

Sexarbeit im Verborgenen: Illegale Prostitution nimmt durch Corona-Pandemie zu

Prostitution war in der Corona-Zeit lange verboten. Viele Frauen arbeiten nun illegal weiter. Daran haben die Lockerungen nur teilweise etwas geändert.

Keine Lobby, keine Unterstützung: Die Sexarbeit gehört in Deutschland zu den Branchen, die in der Corona-Pandemie besonders große Einschränkungen zu verkraften hatten. Über Monate waren Bordelle und Clubs geschlossen. Prostituierte wussten nicht mehr, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren sollten. Das hat bis heute Folgen: Viele Sexarbeitende sind während des Lockdowns in die Illegalität abgewandert - und dort geblieben.

Laut dem Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e.V. ist die Situation der Sexarbeitenden weiterhin dramatisch. „Es gibt ein strukturelles Problem, welches die Arbeiter*innen vernachlässigt, sei es mit Krankenversicherungen oder mit Corona-Hilfen“, sagt Sprecherin Stephanie Klee dem Tagesspiegel.
Dies führe dazu, dass sich immer mehr Arbeiter*innen entscheiden, selbstständig zu werden. Zugleich seien sie somit jedoch auch vielfältigen Gefahren ausgesetzt. „Es kommt zu gewalttätigen Übergriffen bei denen Prostituierte malträtiert werden“, so Klee. Die Hilfe und Unterstützung der Polizei sei nicht da.

Die Deutsche Presse Agentur berichtet unter Berufung auf eine Bordellbetreiberin aus Nürnberg: Nicht alle Frauen seien in ihren alten Job zurückgekehrt. Viele sind ins Ausland gegangen, wo die Bestimmungen anders sind.“ Andere hätten während der Lockdowns in privaten Wohnungen weitergearbeitet und täten das nun weiterhin.

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Das bestätigt auch Stephanie Klee. Viele Arbeiter*innen würden nicht zurück in die Bordelle kommen, weil die Corona-Politik unsicher sei, sagt sie. Zudem hätten viele „Angst vor einem weiteren Lockdown“ - oder aber neue Lebensperspektiven oder Arbeitsmöglichkeiten bekommen.

Kunden verlangen mehr

Hedwig Christ von der Nürnberger Beratungsstelle Kassandra, die Anfragen von Prostituierten aus ganz Deutschland bekommt, sieht diese Entwicklung mit Sorge. „Wir hören von Frauen, die illegal arbeiten, dass die Kunden mehr verlangen.“ Zum Beispiel ungeschützten Sex.

Christ überrascht das nicht: Erfahrungen hätten gezeigt, dass Gewalt und übertragbare Krankheiten immer dann zunehmen, wenn Sexarbeit verboten ist. Christ hat aber auch festgestellt, dass sich viele Prostituierte nach den Erfahrungen in den vergangenen beiden Jahren beruflich verändern wollen und jetzt einen krisenfesten Job suchen.

Die Corona-Folgen zeigen sich auch in den Fallzahlen von Polizei und Justiz: Nach Angaben des bayerischen Justizministeriums ist die Zahl der Strafverfahren wegen Zwangsprostitution, Menschenhandel und Zuhälterei in den vergangenen beiden Jahren förmlich explodiert. Allein die Staatsanwaltschaft München I nahm in diesem Jahr schon mehr als 200 Ermittlungsverfahren wegen verbotener Prostitution auf. Im vergangenen Jahr waren es rund 200 - fast doppelt so viele wie 2019.

Dass Prostituierte zunehmend im Verborgenen arbeiten, beobachtet der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen schon länger. „Corona hat das noch beschleunigt“, sagt die politische Sprecherin Johanna Weber. „Viele waren ja gezwungen, während des Lockdowns heimlich zu arbeiten, weil sie keine Unterstützung bekommen haben.“

„Das Geschäft ist tatsächlich schwieriger als vor Corona“, sagt Weber. „Das liegt auch daran, dass nicht so viele Dienstreisen stattfinden und die Gäste aus dem Ausland fehlen.“ In vielen Branchen hat die Pandemie zu einer Verlagerung ins Internet geführt - bei der Sexarbeit sieht Weber dafür keine Gefahr. „Das wird immer noch real stattfinden.“

Prostituierte warten auf dem Straßenstrich.
Prostituierte warten auf dem Straßenstrich.

© Boris Roessle/picture alliance

Dabei hätten Prostituierte gelernt, sich selber zu vermarkten und wollten nun die Abgaben an das Bordell sparen oder die harten Corona-Regeln in den Bordellen umgehen, sagt Weber. Allerdings fehle durch diese Vereinzelung auch der soziale Austausch mit Kolleginnen, der Rückhalt und Schutz. „Man muss alles mit sich selber ausmachen.“

Für die Bordelle hat dies spürbare Folgen. „Aufgrund der Hygienemaßnahmen fallen hohe Kosten an und ohne Arbeiter*innen geraten die Bordellbetreiber*innen in finanzielle Probleme“, sagt Bundesverbands-Sprecherin Klee. „Nicht nur Sexarbeiter*innen, sondern auch Bordellbetreiber*innen sind dem sozialen System ausgeliefert.“

Die Corona-Politik habe die Menschen nicht berücksichtigt und ein dunkles Licht auf sie geworfen. „Die Corona-Pandemie hat seit Mitte März 2020 deutlich gemacht, wie wenig über die tatsächlichen Strukturen in den verschiedenen Prostitutionsstätten und die realen Arbeits- und Lebensbedingungen der einzelnen Akteure bekannt ist“, so der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen.

Trotz der Lockerung der Corona-Maßnahmen läuft das Geschäft mit der käuflichen Liebe eher schleppend. „Nach dem Lockdown war der Zulauf gleich Null“, berichtet die Nürnberger Bordellbetreiberin. Das habe sich zwar gebessert, aber das Niveau vor der Corona-Krise sei längst nicht erreicht. „Natürlich schwingt bei den Kunden die Angst mit, sich anzustecken“, sagt sie. Aber auch die Erfassung der Kontaktdaten sei für manche eine Hemmschwelle. (mit dpa)

Emilie Pröpstl

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