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Der Naturschutzverband WWF fordert ein gesetzliches Verbot von Delfinarien in der Türkei.

© ddp

Türkei: "Delfine gehören nicht in Swimmingpools"

Streit um Delfin-Shows: Ein Dutzend Delfinarien gibt es in der Türkei, die meisten davon in den Urlaubsgebieten an Ägäis und Mittelmeer. Das Geschäft mit den Tieren boomt, doch inzwischen regt sich auch Widerstand.

Die Mittagshitze in der unbeschatteteten Halle ist fast unerträglich; trotzdem sind auf den Tribünen rings um das runde Wasserbecken alle Plätze besetzt. Mit ohrenbetäubender Techno-Musik beschallt ein Discjockey das Publikum, das aus hunderten halbnackten Badegästen besteht. Eine Animateurin in hautenger schwarzer Kleidung peitscht die Zuschauer ein, bis sie rythmisch klatschen, trampeln und johlen. Als der Lärm seinen Höhepunkt erreicht, öffnet sich eine Klappe am Beckenrand und der Star der Show schwimmt herein: ein Delfin, der nun fast eine Stunde lang akrobatische Spitzenleistungen vorführt. Nach der Show zerstreut sich das Publikum, doch für den Delfin ist der Auftritt noch nicht vorbei. Für jeden Besucher, der ein paar Lira für ein Erinnerungsfoto hinlegt, muss er auf Kommando aus dem Wasser hochschnellen - wieder und wieder, bis alle in der Warteschlange ihr Bild haben. Dann darf er sich durch seine Klappe zurückziehen - bis die nächste Vorführung beginnt.

Ein Dutzend solcher Delfinarien gibt es in der Türkei, die meisten davon in den Tourismusgebieten an Ägäis und Mittelmeer. Rund 50 Delphine werden nach Zählung des Naturschutzverbandes WWF darin gehalten - einige für akrobatische Vorstellungen wie diese, andere für das pseudo-therapeutische "Delfin-Schwimmen", bei dem zahlende Gäste zu den Tieren ins Becken steigen. Das Geschäft mit den Delfinen boomt in der Türkei, doch inzwischen regt sich auch der Widerstand. Mit Unterschriftensammlungen und Facebook-Gruppen, mit Schweigemärschen und Unter-Wasser-Demonstrationen protestieren Türken, Touristen und Tierschützer gegen den Missbrauch der Tiere, die zu Unterhaltungszwecken gejagt und eingefangen und oft unter miserablen Bedingungen gefangen gehalten und vorgeführt werden.

Als Wendepunkt könnte sich das neueste Delfin-Projekt erweisen, der "Dolphin Park" in Ölüdeniz an der südlichen Ägäisküste. Zwei ausgewachsene Delfine werden hier in einem 11x22 Meter großen Becken gehalten - weniger als halb so groß wie ein olympisches Schwimmbecken also. Ein russischer Geschäftsmann will mit ihnen "Delfin-Schwimmen" für Touristen anbieten - doch diese reagierten zunächst anders als erhofft: Hunderte Urlauber schlossen sich kürzlich einem Schweigemarsch an, mit dem örtliche Tierschützer gegen die neue Tourismusattraktion protestierten und Freiheit für die beiden Delphine forderten.

Bürgermeister spricht von "Fischen"

"Wenn Sie denken, dass es nur ein paar Euro kostet, mit diesen Delfinen zu schwimmen, dann täuschen Sie sich", rief die Rechtsanwältin Sule Beder, die den Protestmarsch organisierte, den Urlaubern zu. "Es kostet hunderte Delfine, die aus dem Meer gerissen werden und in solchen Wasserbecken verenden, das Leben." Den Delfinen von Ölüdeniz gehe es gut, verteidigte der Bürgermeister der Stadt, Keramettin Yilmaz, das Projekt, das er als Maßnahme zur Förderung des Tourismus unterstützt. Die Tiere würden zweimal wöchentlich tierärztlich untersucht und erfreuten sich bester Gesundheit, betonte Yilmaz, der dabei allerdings von "Fischen" sprach.

Naturschützer in der Türkei protestieren schon lange gegen den Missbrauch der Tiere, die der Meereswildnis entrissen werden, um Urlauber zu unterhalten. Mindestens zwei Dutzend der Delfine in türkischen Aqua Parks stammen nach Erkenntnissen der Wal- und Delfinschutzgesellschaft WDCS aus dem Schwarzen Meer, wo sie ohnehin als gefährdete Art gelten. Andere werden bei grausamen Treibjagden in Japan gefangen und um die halbe Welt in die Türkei verschifft. Elf Delfine aus einer japanischen Treibjagd landeten etwa in einem Delfinarium in Alanya - wo im Februar vier von ihnen starben.

Ein gesetzliches Verbot von Delfinarien fordert der Naturschutzverband WWF in der Türkei, doch bisher verhallte dieser Ruf ungehört. Die Türkei hob im Gegenteil vor ein paar Jahren sogar das Verbot des Delfinfangs im Schwarzen Meer auf. Seit Beginn der Kontroverse um den "Dolphin Park" von Ölüdeniz bekommen die Naturschützer aber auf einmal Rückenwind von der Öffentlichkeit. Eine Facebook-Gruppe namens "Free the Ölüdeniz Dolphins" (Freiheit für die Delfine von Ölüdeniz), die Unterschriften sammelt und Protestschreiben organisiert, hat bereits rund 17.500 Mitglieder; eine andere Gruppe namens "Yunus Parklari Kapatilsin" (Schließt alle Delfinarien) hat über 7000 Anhänger.

Auch im Wasser mehren sich die Proteste gegen die Delfin-Haltung. Sowohl in Alanya als auch in Bodrum demonstrierten größere Scharen von Tauchern in dieser Woche öffentlichkeitswirksam mit Protestkundgebungen unter Wasser gegen die Delfinarien. "Delfine lieben die Freiheit, sie schwimmen in der Wildnis täglich viele Kilometer weit und fressen lebenden Fisch, nicht tote Fische, wie sie ihnen in Gefangenschaft gefüttert werden", sagte die Taucherin Ayca Kandemir bei der Protestaktion in Bodrum, wo Wassersportler aus allen Teilen der Türkei im Meer ihre Transparente entfalteten. "Delfine gehören nicht in Swimmingpools, sie gehören ins Meer und in die Freiheit."

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