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Das Bundessozialgericht in Kassel.

© imago/Rüdiger Wölk

Bundessozialgericht entscheidet: Krankenkassen müssen keine Kosten für Behandlung non-binärer Personen übernehmen

In seiner schriftlichen Urteilsbegründung erklärt das Gericht geschlechtsangleichende Maßnahmen für non-binäre Menschen als neue Behandlungsmethode, auf die bisher kein Anspruch bestehe.

Das Bundessozialgericht in Kassel hat nun die schriftliche Begründung einer Entscheidung zur Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen einer non-binären Person aus dem Oktober vergangenen Jahres vorgelegt. Die Person hatte gegen ihre Krankenkasse geklagt, die sich weigerte, deren beidseitige Mastektomie zu bezahlen.

Als Grund für die Ablehnung der Klage führte das Gericht an, dass es sich bei der Operation um eine neue Behandlungsmethode handele. „Auf diese besteht ein Anspruch erst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine entsprechende Empfehlung abgegeben hat“, so die Urteilsbegründung.

Das Gericht weist zudem darauf hin, dass die Bestimmung des Behandlungsziels bei non-binären Geschlechtsinkongruenzen grundsätzliche Fragen aufwerfe. „Denn es geht hier nicht zwingend um die Annäherung an das äußere Erscheinungsbild eines normativ vorgegebenen Geschlechts. Die negative Abgrenzung von einem bestehenden Zustand, wie hier die Abwendung vom weiblichen Geschlecht, beantwortet nicht die Frage, welcher Zustand erreicht werden soll und muss, um den bestehenden Leidensdruck zumindest zu mindern.“ 

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Weiter sieht das Gericht keine objektiven Kriterien, nach denen die medizinische Notwendigkeit einer geschlechtsangleichenden Operation – einem Sachverständigengutachten zugänglichen Maßstab – beurteilt werden könne. „In Anbetracht der (in der Regel) irreversiblen Folgen von geschlechtsangleichenden Eingriffen und der Komplexität des Diagnose- und Behandlungsverfahrens kommt der institutionellen Qualitätssicherung durch den GBA eine besondere Bedeutung zu“, so das Schreiben des Sozialgerichts.

Tuuli Reiss vom Bundesverband Trans* reagierte in einer Pressemitteilung mit Unverständnis auf die Entscheidung: „Die partizipative Entscheidungsfindung (informed consent) als eine neue Behandlungsmethode zu betrachten, ist schwer nachvollziehbar, da diese Praxis seit vielen Jahren in der medizinischen Versorgung verankert ist. Das Urteil des Bundessozialgerichts lässt dies außer Acht.”

Durch das Urteil des BSG herrsche in den betroffenen Communities nun Sorge und Unsicherheit. „Es ist nun dringend erforderlich, dass von politischer Seite diskriminierungsfreie und wissenschaftlich zeitgemäße Regelungen zur Kostenübernahme getroffen werden“, so Reiss weiter.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (Dgti) lehnt den Urteilsspruch in einer Pressemitteilung ab, denn sie hält die Einschätzung, die bisherigen Diagnose- und Behandlungsmethoden einer Geschlechtsinkongruenz seien in irgendeiner Weise neu, für falsch.

Dass nun der GBA für Klarheit sorgen soll, sei „angesichts der fehlenden Patient*innenvertretungen von trans* und nicht-binären Personen sowie dem Fehlen von Mediziner*innen mit entsprechender Expertise im GBA, letztlich nur ein Fortführen der Fremdbestimmung von trans* Personen“, so die Dgti.

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