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Lesbische Elternpaare kämpfen in Deutschland für die rechtliche Gleichstellung.

© imago/Science Photo Library

Diskriminierung im Abstammungsrecht: Lesbisches Elternpaar erhebt Verfassungsbeschwerde

Queere Familien werden im Familienrecht immer noch benachteiligt. Nun zieht ein weiteres Paar vor das Bundesverfassungsgericht.

Es ist ein Novum: Zum ersten Mal erhebt ein lesbisches Paar Verfassungsbeschwerde gegen die Diskriminierung im Abstammungsrecht. Gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte wollen die Beschwerdeführerinnen Catherine K. und Cristin G. vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die rechtliche Benachteiligung queerer Paare klagen. Zuvor hatten nur Gerichte die Vorlagen nach Karlsruhe gebracht, so auch bei den Akkermanns, deren Fall im vergangenen Jahr große Aufmerksamkeit erlangte hatte.

Catherine K. und Cristin G. hatten sich für eine private Samenspende entschieden und im März 2020 brachte Catherine K. das gemeinsame Kind Mischa zur Welt. Rein rechtlich gesehen hat Mischa aber nur eine Mutter, nämlich Catherine K. So steht es auch in der Geburtsurkunde. Ihre Ehefrau Cristin G. hat lediglich die Möglichkeit, das Kind im Rahmen einer sogenannten Stiefkindadoption zu adoptieren und damit rechtlich als Mutter anerkannt zu werden.

Bei heterosexuellen Paaren ist das anders: Da wird der Partner automatisch als Vater anerkannt, unabhängig davon, ob er es biologisch gesehen ist. Bis heute sieht das Abstammungsrecht nämlich vor, dass die Person, die das Kind zur Welt bringt, als Mutter eingetragen wird, und als zweites Elternteil lediglich ein „Vater“, also eine männliche Person, in Frage kommt. Daher scheitern lesbische Elternpaare, aber auch Paare, bei denen ein Elternteil trans ist oder den Geschlechtseintrag divers hat, bei der Anerkennung der Elternschaft und müssen das Kind erst adoptieren.

Hürden bei der Stiefkindadoption

Die sogenannte Stiefkindadoption erscheint allerdings gleich aus zwei Gründen problematisch: Zum einen kann der Prozess sich über Monate oder sogar Jahre ziehen und Ämter sind dazu befugt, intime Fragen beispielsweise zum Gesundheitszustand der Elternpaare zu stellen. Betroffene Paare beschreiben diesen Prozess häufig als belastend.

Zum anderen ist das Verfahren eigentlich für Paare mit einem dazukommenden Elternteil gedacht, zum Beispiel wenn jemand das Kind des neuen Partners oder der neuen Partnerin adoptieren möchte. Im Kontext eines Paares, das sich gemeinsam dazu entscheidet, ein Kind zu bekommen, erscheint es hingegen ungeeignet. „Wir haben uns gemeinsam für unser Kind entschieden, teilen uns die Verantwortung und sind eine Familie wie andere auch. Uns steht die gleiche rechtliche Anerkennung zu.“ sagt Cristin G. Die Stiefkind-Adoption sei eine Zumutung und keine Alternative zur Elternschaft ab Geburt.

An der Verfassungswidrigkeit des derzeitigen Gesetzes gibt es keinen Zweifel.

Rechtsanwältin Lucy Chebout

Der Versuch, die Elternschaft von Cristin G. gerichtlich feststellen zu lassen, blieb bisher erfolglos. Zuletzt wies das Kammergericht Berlin den Antrag zurück, deshalb soll nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Ein Grundsatzurteil aus Karlsruhe könnte zahlreiche queere Familien in Deutschland absichern.

Auch beim CSD in Berlin wurde für die Elternschaftsanerkennung demonstriert.
Auch beim CSD in Berlin wurde für die Elternschaftsanerkennung demonstriert.

© imago/IPON

Viele lesbische Paare warten spätestens seit dem Fall der Akkermanns, die im vergangenen Jahr als erstes Elternpaar vor das Bundesverfassungsgericht gezogen waren, auf ein entsprechendes Urteil. „Das derzeitige Abstammungsrecht ist aus der Zeit gefallen und muss dringend reformiert werden“, sagt auch Lea Beckmann, Juristin und Verfahrenskoordinatorin der GFF. Sie sieht in der aktuellen rechtlichen Regelung einen „klaren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und weitere Grundrechte.“

Das Kind hat gegenüber dem zweiten Elternteil keinerlei Rechte

Die Benachteiligung queerer Elternpaare geht in erster Linie zu Lasten der Kinder, die rechtlich gesehen nur ein Elternteil haben. Dementsprechend können sie auch gegenüber dem zweiten Elternteil keinerlei Rechte geltend machen, wie erbrechtliche Ansprüche oder Unterhalt. Auch die gebärende Person hat keinerlei Absicherungen, was gerade während der Schwangerschaft belastend sein kann.

Mittlerweile haben vier Gerichte ähnliche Verfahren wie das von Catherine K. und Cristin G. ausgesetzt und stattdessen dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Rechtsanwältin Lucy Chebout, die den Fall betreut, sagt: „Die Zeit ist reif für ein Grundsatzurteil aus Karlsruhe – an der Verfassungswidrigkeit des derzeitigen Gesetzes gibt es keinen Zweifel.“ Ende vergangenen Jahres hatte auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Rechte lesbischer Eltern im Fall eines minderjährigen Kindes, dessen Mütter Bulgarin und Britin sind, gestärkt.

Die Stiefkind-Adoption ist keine Alternative zur Elternschaft ab Geburt.

Cristin G.

Die Ampelregierung könnte einem solchen Urteil zuvorkommen und lesbische Elternpaare entsprechend absichern. Im Koalitionsvertrag kündigte sie bereits eine Reform an. Darin heißt es: „Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist.“

Einige Aspekte blieben allerdings weiterhin unangetastet, denn unverheiratete Paare müssten die Elternschaft weiterhin durch eine Stiefkindadoption anerkennen lassen und Personen mit dem Geschlechtseintrag divers wären von der Formulierung im Koalitionsvertrag ausgeschlossen. Auch weitere Hürden blieben bestehen, zum Beispiel hinsichtlich der Kosten für die künstliche Befruchtung, die bei lesbischen Paare im Gegensatz zu heterosexuellen Paaren nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird. 

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