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Menschen haben für das Opfer auf dem Münsteraner Hafenplatz eine Fahne ausgelegt.

© David Inderlied/dpa

Update

Tödliche Attacke in Münster: Tatverdächtiger muss nach Angriff beim CSD in Untersuchungshaft

Ein Besucher der Pride-Parade in Münster zeigt Zivilcourage und wird daraufhin attackiert. Am Freitagmorgen erliegt der Mann im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Nach der tödlichen Attacke auf einen 25-Jährigen bei einer Christopher-Street-Day-Versammlung in Münster muss der Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Der Haftrichter verhängte am Samstag U-Haft gegen den 20-Jährigen wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten.

Der Verdächtige war nach der Tat vor einer Woche geflüchtet und am Freitag festgenommen worden. Er habe sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert, hieß es.

Nach der Attacke am vergangenen Sonnabend ist der trans Mann Malte C. im Krankenhaus gestorben. Zuvor hatte der 25-Jährige mehrere Tage im künstlichen Koma gelegen.

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Am vergangenen Sonnabend feierte C. mit tausenden anderen Menschen den Christopher Street Day in Münster, als er mehreren Zuschauerinnen der Parade zur Hilfe eilte. Wie Zeugen der Situation dem Portal „queer.de“ berichteten, soll ein unbekannter Mann die Frauengruppe mit den Worten „lesbische Huren“ homophob beleidigt haben. Als der 25-jährige den Störer konfrontiert und sich schützend vor die Frauen stellt, soll der Unbekannte ihm unvermittelt ins Gesicht geschlagen haben.

Bevor C. das Gleichgewicht verlor, soll er von einem weiteren Faustschlag getroffen worden sein, wie „queer.de“ berichtet. Daraufhin sei C. mit dem Kopf auf den Asphalt aufgeschlagen.

Am Freitagmorgen gab die zuständige Polizei schließlich per Pressemitteilung bekannt, dass der 25-Jährige im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlegen ist. Die Leiche sollte am Montag obduziert werden.

Ermittlung gegen unbekannten Begleiter

Der mutmaßliche Täter war geflüchtet, aber von einer Ermittlerin der Mordkommission am Freitag am Hauptbahnhof in Münster erkannt und festgenommen worden. Die Nationalität des Mannes sei den Ermittlern bekannt, werde aber nicht genannt, sagte Oberstaatsanwalt Dirk Ollech der Deutschen Presse-Agentur. Es sei kein Zusammenhang zu sehen zwischen der Nationalität und der mutmaßlichen Tat.

Ermittelt werde auch gegen einen unbekannten Begleiter des 20-Jährigen, der nach der Tat mit ihm geflohen sein soll und möglicherweise an den Beleidigungen beteiligt war. Hier gebe es bislang keine neuen Erkenntnisse, berichtete Ollech.

Soziale Medien als „Echokammer“ für queerfeindliche Einstellungen

Seit der brutalen Attacke herrscht Entsetzen bei den queeren Vereinen der Stadt. Queerfeindliche Einstellungen werden nach Einschätzung des Lesben- und Schwulenverbands durch soziale Medien verstärkt. Schon seit vielen Jahren gebe es in der Gesellschaft solche menschenfeindlichen Einstellungen, die durch die „Echokammern“ im Internet noch angeheizt würden, kritisierte René Mertens vom LSVD am Samstag auf WDR 5 im „Morgenecho“.

Soziale Medien tragen nach seiner Einschätzung dazu bei, dass „homophobe Sprüche und queerfeindliche Ideologien“ in Hass und Gewalt umschlagen. Mertens sagte zum Fall Münster: „Das war wirklich eine queerfeindliche Gewalttat.“

Auch bei CSD-Veranstaltungen in Berlin, Jena oder Bielefeld sei es zu Anfeindungen gekommen - Menschen seien attackiert, Regenbogenfahnen zerrissen worden. Er appellierte: „Wir brauchen die Solidarität der gesamten Gesellschaft.“

Im rechtlichen und politischen Bereich habe es in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gegeben. Aber bei den gesellschaftlichen Einstellungen und im Bildungsbereich sei noch viel zu tun.

Dem WDR-Bericht zufolge werden den Behörden in Durchschnitt täglich bundesweit etwa drei queerfeindliche Gewalttaten bekannt. Eine hohe Dunkelziffer komme hinzu - vieles werde nicht angezeigt.

Die Polizeipräsidentin von Münster, Alexandra Dorndorf, sagte: „Ich bin froh, dass die Festnahme des Tatverdächtigen nach dem brutalen Angriff am Rande des CSD noch am Freitag gelungen ist.“ Münster stehe für Weltoffenheit, Vielfalt und Zivilcourage. „Der schreckliche Vorfall zeigt, wie wichtig es ist, dass wir diese Werte schützen und als Gesellschaft zusammenstehen.“

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Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte sich bestürzt über den Vorfall. Auf Twitter schrieb sie: „Ein junger Mann wird totgeschlagen, weil er anderen helfen wollte. Auf einem #CSD. Mitten in Deutschland. Im Jahr 2022. Das macht mich fassungslos und unendlich traurig.“

Ihr Mitgefühl gelte den Angehörigen des Opfers, so Faeser weiter. „Solcher Hassgewalt müssen wir mit aller Härte entgegentreten.“ (mit dpa)

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