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Unsere Buchtipps eignen sich für Kinder, aber auch Eltern.

© IMAGO/Shotshop

Tipps für queere Kinderbücher: Reise zu den Sternen und viel Glitzer

Wie fühlt es sich an, wenn der Vater sich als trans outet? Und was passiert, wenn Jungen Glitzer tragen? Vier Kinderbücher zeigen, wie man mit Kindern über Vielfalt sprechen kann.

„Egal was sich auch ändert, das Herz bleibt genau dasselbe“

Fahrradfahren und Ausflüge in die Natur unternehmen – das macht Noa besonders gern. Und danach mit einer heißen Tasse Kakao auf die Couch lümmeln und mit Mama Caroline kuscheln. Aber kann man das noch machen, wenn die Mama statt Caroline jetzt Quinn heißt? Ändert sich dann alles, wenn er nicht mehr Mama, sondern Papa genannt werden möchte? Wird er vielleicht sogar ein neuer Mensch sein? Diese Fragen stellt sich Noa in dem Kinderbuch „Egal was sich auch ändert, das Herz bleibt genau dasselbe“.

Appenroth Max, Berman Vered: „Egal was sich auch ändert, das Herz bleibt genau dasselbe“. August Dreesbach Verlag, 34 Seiten, 16 Euro.

© August Dreesbach Verlag

Auf behutsame Weise schildern Max Appenroth und Vered Berman, welche Gedanken und Sorgen Noa nach dem Coming out des Vaters durch den Kopf gehen und wie Noa diese gemeinsam mit Papa Quinn bespricht. Dabei werden auch kompliziert klingende Begriffe wie „Transition“ oder die Bedeutung von Hormonen für Kinder verständlich erklärt.

Die Idee zu dem Buch entstand auch, weil Appenroth, ein nicht-binärer trans Aktivist, selbst ein Kind hat und im Freund*innenkreis immer wieder die Frage auftauchte, wie man mit Kindern über Geschlechtervielfalt sprechen kann.

Illustrationen von Charli Vince ergänzen die Geschichte. Da ist etwa zu sehen wie Quinn und Noa einen Waldspaziergang durch rot gefärbtes Laub unternehmen oder im Wasser herumtollen. Im Laufe des Buches stellt Noa fest, dass man auch mit Papa Quinn prima spielen kann. Besonders berührend: Am Ende schreibt Noa auf eine Postkarte „Mit Liebe von Noa und Quinn“ und stellt dabei fest, dass der Buchstabe Q zwar ein bisschen schwieriger zu schreiben ist, sich aber ansonsten gar nicht so viel geändert hat.

Das Buch eignet sich für Kinder ebenso wie für Erwachsene. Auf den letzten Seiten finden sich zudem hilfreiche Tipps zur Gesprächsführung mit Kindern.

„Glitzer für alle“

Als Paul im Kindergarten eine Prinzessinenkrone findet, ist er begeistert, denn sie funkelt und glitzert so schön. Am liebsten würde er sie gar nicht mehr absetzen – wären da nicht die anderen Kinder. Sein bester Freund Tarek lacht ihn aus und sagt, er solle sie absetzen. Schließlich sei das eine „Mädchensache“.. Aber was passiert eigentlich, wenn Jungen eine glitzernde Prinzessinenkrone aufsetzen?

Dieser Frage geht das Kinderbuch „Glitzer für alle“, das in diesem Jahr erschien und sich für Kinder ab drei Jahren eignet, auf den Grund. Tarek glaubt, dass etwas Schlimmes passieren müsse, wenn Jungen Kronen tragen, vielleicht etwas mit Blitzen oder Explosionen. Paul hat seine ganz eigene Theorie: Jungen, die mit Glitzer spielen, verwandeln sich in Sterne und funkeln am Himmel.

Baisch Milena, Kuijl Eefje (Illustr.): „Glitzer für alle“. Penguin Verlagshaus, 32 Seiten, 14 Euro.

© Penguin Verlagshaus

Die Neugier überwiegt schließlich und so ziehen die beiden viel glitzernde Sachen an, wie sie im Kindergarten auftreiben können. Und da trauen sich auch die anderen Kinder, zu sich selbst zu stehen. Denn wenn Jungen Prinzessinenkronen tragen können, dann können Mädchen auch T-Shirts mit Baggern anziehen. So werden im Laufe der Geschichte auf spielerische Weise Geschlechterstereotype in Frage gestellt.

Für eine diverse Repräsentation sorgen insbesondere die Illustrationen von Eefje Kuijl, auf denen etwa People of Color und Kinder, die im Rollstuhl sitzen, abgebildet sind.

„Sulwe“

Als Sulwe zur Welt kommt, hat sie mitternachtsfarbene Haut. Dunkler als ihre Familie und dunkler als ihre Freund*innen. Und weil Sulwe in der Schule „Nachtgespenst“ genannt wird, versucht sie alles, um hellere Haut zu bekommen. Sie benutzt einen Radiergummi und Schminke und isst nur noch weiße Lebensmittel. Sogar ihre Mama, die Sulwe daran erinnert, dass ihr Name Stern bedeutet und ihr versichert, dass sie schön sei, kann Sulwe kaum trösten. Bis eines Nachts eine Sternschuppe in Sulwes Zimmer kommt und sie auf eine märchenhafte Reise mitnimmt.

Nyong’o Lupita : „Sulwe“. Mentor Verlag, 56 Seiten, 24 Euro.

© Mentor Verlag

Von dieser Reise handelt das Buch „Sulwe“, das die oscarprämierte kenianische Schauspielerin und Produzentin Lupita Nyong’o im Jahr 2021 veröffentlichte und das von der Geschlechterforscherin Maureen Maisha Auma ins Deutsche übersetzt wurde. Darin lernt Sulwe die Schwestern Tag und Nacht kennen, die ihr zeigen, dass ihre mitternachtsfarbene Haut für Stärke und innere sowie äußere Schönheit steht.

Basierend auf ihrer eigenen Geschichte beschreibt Nyong’o kindgerecht, wie wichtig Selbstakzeptanz ist und thematisiert dabei auch Colorism, also die Tatsache, dass Menschen mit hellen Hauttönen gesellschaftlich bevorzugt und Menschen mit dunklen Hauttönen benachteiligt werden Sie selbst schreibt im Nachwort: „Überlass es nicht anderen, dir zu sagen, was schön ist. Du bist schön, wenn du beschließt schön zu sein.“ Besonders eindrucksvoll sind die Illustrationen von Vashti Harrison, die Sulwes Reise zu den Sternen zeigen.

„Alles Familie“

Mutter, Vater, Kind – diese klassische Konstellation haben viele immer noch im Kopf, wenn sie den Begriff „Familie“ hören. Er entspricht aber immer weniger der Realität. Statistiken zufolge nimmt die Zahl queerer Familien und Patchworkfamilien nämlich stetig zu. Das spiegelt sich allerdings nur selten in Filmen, Serien und Büchern wider. Da wird häufig auf die klassische Bilderbuch-Familie zurückgegriffen.

Umso wichtiger erscheint es, dass es Kinder- und Jugendbücher wie „Alles Familie“ gibt. In dem Buch von Alexandra Maxeiner, das für Kinder ab vier Jahre empfohlen wird und bereits im Jahr 2010 erschien, aber immer noch hochaktuell ist werden die unterschiedlichsten Familienkonstellationen vorgestellt und zwar immer mit einem kleinen Augenzwinkern.

Es geht um Kinder, deren Eltern sich getrennt haben und die nun plötzlich Stiefgeschwister sowie Halbgeschwister haben. Sie müssen zwar hin – und herpendeln, haben dafür aber auch Fahrrad und Regenjacke in doppelter Ausstattung. Dann gibt es noch Kinder, die zwei Mamas und zwei Papas haben und jene, die adoptiert wurden. Manche sehen ihre „Blutsverwandten“ auch gar nicht als Familie, sondern suchen sich im Freund*innenkreis eine Wahlfamilie aus. Dadurch wird das Bild der zweigeschlechtlichen Elternpaares, das nur aus zwei Personen besteht, aufgebrochen.

Darüber hinaus werden alternative Anreden zu „Mama“ und „Papa“ vorgestellt und erklärt, weshalb man früher „Herr Vater“ gesagt hat. Die humorvollen Illustrationen von Anke Mayer veranschaulichen kompliziert klingende Begriffe. So setzt Mayer beim Begriff „Patchworkfamilie“ kurzerhand die Köpfe aller Familienmitglieder zu einem bunten Flickenteppich zusammen.

„Alles Familie“ wurde mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Die Begründung: „Kurze Erläuterungen vielleicht unbekannter Begriffe fügen sich so geschmeidig in den Text ein, dass sie keineswegs belehrend wirken.“ Tatsächlich wirkt das Buch alles andere als belehrend, vielmehr schafft es wichtige Repräsentation und weitet den eigenen Blick - nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen.

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