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Übermaß. Das Paulaner-Zelt auf dem Oktoberfest in München.

© Getty Images/Sean Gallup

Risiken des Alkohols: Wann kommen endlich die Schockfotos auf Bierflaschen?

Alkohol ist tödlich, doch Warnhinweise auf Etiketten fehlen immer noch – weil die Regierung lieber auf Lobbyisten hört als auf Wissenschaftler.

E-Zigaretten sollen bald nicht mehr süß oder fruchtig schmecken. Das Beimischen von Aromen wird verboten. Auch Werbung am Kiosk soll es künftig nicht mehr geben. Das jedenfalls fordert Burkhard Blienert, der Suchtbeauftragte der Bundesregierung – und verweist auf die enormen gesundheitlichen Gefahren. Gut so!

Allerdings fällt, wann immer die Bundesregierung gegen den Krankmacher Tabak vorgeht, die Inkonsequenz des Gesetzgebers auf. Denn die größte Sucht der Deutschen wird seit Jahrzehnten wenig bis überhaupt nicht problematisiert: der Alkohol. 

Warum gibt es noch immer keine Warnhinweise auf den Flaschen, die Käufer darüber aufklären, was Alkohol anrichtet? Weshalb keine Schockbilder, wie sie auf Zigarettenpackungen selbstverständlich sind? 

1,6 Millionen Deutsche sind abhängig von Alkohol

Die Wissenschaft hat die zerstörerische Kraft des Genussgifts Alkohol umfassend dokumentiert. Es ist wesentlicher Risikofaktor für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Zehntausende Deutsche sterben jedes Jahr an den Folgen des Konsums. 1,6 Millionen sind abhängig. Der volkswirtschaftliche Schaden liegt bei 57 Milliarden Euro jährlich. Das sind Zahlen der Bundesregierung.

Bierwerbung hat Tradition in Deutschland.

© IMAGO/Schoening

Ernstgemeinter Verbraucherschutz bedeutet, den Bürger realistisch über die Gefahren eines Produkts aufzuklären. Damit er dann im Wissen um die Vor- und Nachteile, also den Genuss und die gesundheitlichen Folgen, seine freie Entscheidung treffen kann. Ernstgemeinter Verbraucherschutz bedeutet weiterhin, dies auch dort sicherzustellen, wo Lobbyisten Druck ausüben, Bier als „deutsches Kulturgut“ verklären oder mit dem Verlust von Arbeitsplätzen in der Brauereiindustrie argumentieren.

Die Brauerei-Lobby beeinflusst Politiker

Mit welchen Tricks Alkoholindustrie und Industrieverbände versuchen, wirksame Maßnahmen zur Alkoholprävention zu verhindern, hat das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) öffentlich gemacht. Die Industrie beeinflusse etwa die Forschung durch Unterstützung „wissenschaftlicher Studien, die die negativen Folgen des Alkoholkonsums auf die Gesundheit und die Gesellschaft herunterspielen oder anzweifeln“.  

Die Hersteller versuchten außerdem, direkt Entscheidungsträger in der Politik zu beeinflussen. Dadurch erschwerten sie „eine wirksame Regulierung von Alkohol und die Entwicklung von Gesetzen zum Schutz der Gesundheit.“

So lässt sich wohl auch die inkonsequente Haltung der Bundesregierung erklären. Diese spricht zwar selbst von einer „weit verbreiteten unkritisch positiven Einstellung zum Alkohol“. Gleichzeitig lassen sich Politiker von den Lobbyisten des Deutschen Brauer-Bunds allen Ernstes zu „Botschaftern des Bieres“ küren, aktueller Amtsträger ist der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider.

Was vom Feiern übrig bleibt.

© imago/Jochen Tack/imago/Jochen Tack

Ob der Suchtbeauftragte Blienert (SPD) gutheißt, wie sich der Ostbeauftragte Schneider (ebenfalls SPD) von der Alkohollobby einspannen lässt, verrät er dem Tagesspiegel nicht. Auch die Frage, ob sich Politiker generell von einem Lobbyverband zum „Bierbotschafter des Jahres“ küren lassen sollten, beantwortet er nicht.

Drei Viertel der Deutschen befürworten Warnhinweise

Immerhin hat Burkhard Blienert nun angeregt, das Mindestalter für Alkohol heraufzusetzen: Die Regelung, bereits mit 14 Jahren in Gegenwart der Eltern Alkohol trinken zu können, sei „gesundheitspolitischer Unsinn vergangener Zeiten“. Alkoholwerbung müsse ebenfalls untersagt werden, zumindest in den Hauptsendezeiten.

Laut seiner Sprecherin setze sich Blienert auch für Warnhinweise auf alkoholischen Getränken ein. Die Bevölkerung weiß er dabei auf seiner Seite: Drei Viertel der Deutschen befürworten solche Hinweise. Eine entsprechende Umfrage hat die Regierung selbst in Auftrag gegeben.

Ja, auf den Etiketten möchte ich Ekelfotos von Leberzirrhosen und angegriffenen Großhirnrinden sehen. Auch gern von vollgekotzten Bürgersteigen und Massenschlägereien. Zumindest aber den Hinweis, dass Alkohol die Gesundheit gefährdet. Oder sind die Leben von Trinkern etwa weniger wert als die von Rauchern?

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