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So macht ihr Putzen eben Spaß - oder wo ist das Problem?

© IMAGO

Werben geht auch nicht mehr: Immer wieder stoppen Shitstorms streitbare PR-Kampagnen

Will die Werbebranche warten, bis jede herumwirbelnde Hausfrau im Putzmittelspot einen Shitstorm wegen überholter Rollenklischees kassiert? Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

Als kürzlich die Meldung um die Welt ging, auf einem Autobahnparkplatz sei ein Baby (ein Mädchen, Amanda) in einem VW Passat geboren worden, sollte man in Wolfsburg gejubelt haben. Das war mal gelungene Reklame: Passat – in diesem Auto können Sie Leben schenken. Hurra.

Mit Werbung hatte der Autokonzern davor viel Pech. Erst der Clip für einen neuen Golf, in dem eine riesige weiße Hand einen schwarzen Menschen von der Eingangstür eines Hotels namens „Petit Colon“ wegschnippst und danach die Buchstabenfolge N, E, G, E und R aufploppt, bevor am Ende „Der neue Golf“ da steht.

Dann die Audi-Werbung, bei der ein Mädchen mit halb geschälter Banane am Kühlergrill lehnt plus Aufforderung ans Publikum, sein Herz in jeder Beziehung schneller schlagen zu lassen. Herrjeh.

Wer nach dem Dieselskandal noch Restsympathien für VW hegte, durfte sich erneut provoziert fühlen. Und im Internet war so viel los, dass die Kampagnen intern überprüft wurden, eine (Golf) wurde gestoppt.

Dass Werbung von der Öffentlichkeit massives Feedback erhält, ist ein Twitterphänomen. Den moralisierfreudigen und auch gern mal besserwisserischen Communities bleibt wenig verborgen, was das Zeug zum Aufreger hat. Der Modekatalog, in dem ein schwarzer Junge ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Coolest Monkey in the Jungle“ trug. Die Fahrradhelm-Kampagne von Verkehrsminister Andreas Scheuer, für die luftig bekleidete Models posierten. Rassistisch das eine, sexistisch das andere, ganz klar.

In der Branche wird das noch nicht wirklich diskutiert

Auch wenn es manchmal schwer fällt, die Berechtigung der Empörung zu beurteilen, bringt sie doch eine berechtigte Frage auf: Soll Werbung bleiben, wie sie ist? Kann sie? Will sie warten, bis jede herumwirbelnde Hausfrau im Putzmittelspot einen Shitstorm wegen überholter Rollenklischees kassiert?

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In der Branche werde das noch nicht wirklich diskutiert, sagt Lars Rademacher vom Deutschen Rat für Public Relations. Die orientiere sich eher nach innen, wichtig seien Preise und Kundenbewertungen. Das ist vielleicht verständlich. Die Branche hat einen großen Imageverlust hinter sich. Das war sicher hart. Vorbei die Zeiten, in denen Werbeagenturen bekannt waren wie Fußballstars.

Heute sind die Zeiten gefühlt härter, und dazu passt eher, was Rademacher „die Tendenz von Unternehmen, sich zu Werbezwecken gesellschaftlichen Trends anzuschließen“ nennt: ob „Diversity, Gender oder Umweltfragen“. Konzerne zeigen Haltung, zumindest auf dem Plakat. Wie bei Nike, wo aus „Just do it“ eine Lebensphilosophie wurde. Wie bei Edeka, das in der Weihnachtszeit Einsamkeit im Alter thematisierte. Wie bei H&M und ihrer „Pride-Collection“ mit Regenbogen.

Man kann es allerdings übergriffig finden, wenn ein Produkt, das doch nur gekauft werden will, sich in den Alltag einmischt. Und das machen Firmen die beim Haltungzeigen komplexe gesellschaftliche Debatten ästhetisch inszeniert und professionell betextet für Reklamezwecke nutzen. Will man wirklich von einem Supermarkt daran erinnert werden, dass man Opa ewig nicht angerufen hat? Waren die ganzen #westayhome-Corona-Appelle nicht schrecklich nervig? Hier Shitstorm, da Übergriff, nicht viel Platz dazwischen und über allem drohend die „Cancel Culture“.

Am Ende lässt man es noch ganz mit der Reklame und kehrt zurück zur puren Produktinformation. Wer will, probiert ein Produkt aus, und wenn er zufrieden ist, wird er Wege finden, das mitzuteilen. Just do it?

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