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Kolumne – Die gute Frage

© Lisa Rock für den Tagesspiegel

Der Blick im Nacken: Spürt man tatsächlich, wenn man von hinten angeschaut wird?

Manche Menschen berichten, sie könnten Blicke von hinten außersinnlich wahrnehmen. Forschungsergebnisse müssen jedoch skeptisch stimmen.

Eine Kolumne von Henrike Berkefeld

Der „Blick im Nacken“ liegt außerhalb des Bereiches, der mit den Augen einsehbar ist, und dennoch wirkt es manchmal, als könnten wir ihn wirklich wahrnehmen. Solchen bisher unverstandenen Phänomenen widmet sich die Anomalistik-Forschung und versucht sie mit wissenschaftlichen Methoden zu erklären.

Stefan Schmidt vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg beschreibt zwei verschiedene herkömmliche Erklärungsansätze: „Die angeschaute Person könnte in ihrer Umwelt mehrere indirekte Hinweisreize wahrgenommen haben, die auf eine Beobachtung, die außerhalb ihres Sehfeldes liegt, hinweisen: ein ungewohntes Geräusch im Rücken oder eine Reflexion in einer Fensterscheibe.“

Da diese Informationen zwar verarbeitet werden, aber nicht das Bewusstsein erreichen, entsteht der unbestimmte Eindruck, dass sich im Rücken etwas Relevantes abspielt.

Darüber hinaus werden Ereignisse besser erinnert, in denen der Eindruck des „Blick im Nacken“ durch Umschauen tatsächlich bestätigt wird: Menschen drehen sich unterschiedlich häufig verdachtslos um. Meistens gehen diese Kontrollblicke ins Leere und werden direkt vergessen. Schaut aber eine andere Person doch herüber, so erlangt dieses Ereignis einen höheren Stellenwert und wird gut erinnert. Schmidt: „Durch solch eine selektive Erinnerung kann die Illusion einer außersinnlichen Blickwahrnehmung entstehen.“

Um zu untersuchen, ob es über diese Erklärungen hinaus doch auch eine außersinnliche Blickwahrnehmung gibt, wurden schon viele Experimente durchgeführt, bei denen konventionelle Erklärungen ausgeschlossen werden können. Metaanalysen sind für einen Überblick über diese Studien das Mittel der Wahl: „Denn Metaanalysen fassen viele Studien zusammen, die ihrerseits wieder viele Personen zusammenfassen, die ihrerseits wieder viele einzelne Durchgänge zusammenfassen“, so der Psychologe. Dabei wurden kleine signifikante Effekte gefunden. „Wo diese dann aber bei den vielen Zusammenfassungen genau herkommen, kann man meist nicht herauslesen. Gibt es einzelne begabte Personen? Hat jeder mal einen zusätzlichen Treffer, wenn man es oft genug versucht? Das wissen wir nicht“, so Schmidt. „Für eine sichere Aussage benötigt es deshalb noch weitere Untersuchungen.“

Alle bisher erschienenen Folgen der Kolumne „Die gute Frage“ lesen Sie auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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