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Ingo Bach

© Tagesspiegel/Nassim Rad

Macht Kortison dick und einen hohen Blutdruck?: Keine Angst vor dem Entzündungshemmer

Eine Studie der Charité zeigt, dass Kortison bei einer Langzeittherapie weniger Nebenwirkungen hat, als manche Patienten und Ärzte denken. Eine neue Kolumnenfolge mit einer „Guten Nachricht“.

Eine Kolumne von Ingo Bach

Der Entzündungshemmer Kortison – medizinisch Glukokortikoide genannt – ist ein ambivalentes Arzneimittel: Die einen halten es für eines mit schlimmen Nebenwirkungen, die anderen erhoffen sich wahre Wunderdinge von ihm, die oft auch eintreten. Bei der Behandlung von Autoimmunkrankheiten, wie Rheuma, zum Beispiel oder bei Gelenkschmerzen und Hauterkrankungen.

Einer langen Therapie mit dem Wirkstoff – wie sie unter anderem bei Rheuma oft notwendig ist – stehen viele Patienten und manchmal auch Ärzte mit einem unguten Gefühl gegenüber. Sie fürchten vor allem die Zunahme an Körpergewicht. Ebenso wurde immer wieder vor ansteigendem Blutdruck gewarnt.

Was viele aber nicht wissen, ist, dass diese tatsächlich beobachteten Nebenwirkungen auf höheren Dosierungen beruhen, wie sie in der Langzeittherapie früher noch üblich waren, wie sie aber in aktuellen Behandlungsleitlinien überholt sind. Wie und welche Nebenwirkungen sich in der heute regulären Dosierung von Kortison in der Rheumabehandlung zeigen, sei noch nicht ausreichend untersucht worden, heißt es in einer Studie der Charité, die im Fachmagazin „Annuals of Internal Medicine“ erschienen ist.

Die Forscher analysierten fünf Studien mit mehr als 1000 Teilnehmenden

Ein Team um Frank Buttgereit, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité, ging nun dieser Frage nach. „Die Leitlinien und Empfehlungen raten, Kortison – wenn überhaupt – nur vorübergehend zu verabreichen, weil sonst relevante Nebenwirkungen zu befürchten sind“, schreiben die Forschenden.

Um zu untersuchen, ob diese Befürchtungen oder Empfehlungen zu Recht bestehen, analysierte das Charité-Forschungsteam fünf Studien, die Daten von insgesamt mehr als 1100 Menschen mit rheumatoider Arthritis aus zwölf europäischen Ländern enthielten. Die Erkrankten hatten über zwei Jahre hinweg niedrig dosierte Kortison-Präparate oder ein Placebo erhalten.

Das Ergebnis: „Unter der Kortison-Therapie veränderte der Blutdruck sich nicht signifikant, und die Betroffenen nahmen im Schnitt nur 1,1 Kilogramm mehr zu als die Teilnehmenden in der Kontrollgruppe.“ Ähnliches galt auch für Risikopatienten, die zu Studienbeginn bereits übergewichtig waren oder einen hohen Blutdruck hatten.

Die Ergebnisse der Studie machte die Vorsicht in den Leitlinien aber nicht obsolet, sagt Frank Buttgereit. „Denn Glukokortikoide können auch andere schwerwiegende Nebenwirkungen wie Osteoporose, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine Neigung zu Infektionen mit sich bringen.“

Aber für viele Rheuma-Betroffene und auch ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte sei die Sorge vor einem Blutdruckanstieg und einer Gewichtszunahme ein wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen eine Kortison-Therapie. „Das sollte sie jedoch nicht sein, weil beide Effekte keine große Relevanz haben.“ Stattdessen sollten bei der Entscheidung für die passende Therapieoption die anderen Nebenwirkungen berücksichtigt werden.

Alle bisher erschienen Folgen der Guten Nachricht finden Sie auf der Übersichtsseite der Kolumne.

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