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Kolumne – Die gute Frage

© Lisa Rock für den Tagesspiegel

Oft werden Gallenblase, Milz und Blinddarm entfernt: Sind diese Organe tatsächlich überflüssig?

Im Laufe der Evolution haben sich Körperteile entwickelt – und sind wieder weniger wichtig geworden. Man kann ohne sie leben, trotzdem erfüllen sie eine Funktion.

Eine Kolumne von Claudia Füßler

Der Mensch entwickelt sich, und mit ihm sein Körper. Das hat dazu geführt, dass im Laufe der Jahrtausende das eine oder andere Körperteil mehr oder weniger überflüssig geworden ist. Oder doch nicht? Besonders populär in der Kategorie „Brauchen wir nicht“: der Wurmfortsatz, ein etwa zehn Zentimeter langes Anhängsel am Blinddarm. „Tatsächlich ist kein einziges Krankheitsbild bekannt, das nach der Entfernung des Wurmfortsatzes auftritt“, sagt Robert Thimme, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg, „da kann man also wirklich entspannt sein, wenn er rausmuss.“

Dass der Wurmfortsatz tatsächlich ein völlig sinnloses Dasein fristet, bezweifeln Wissenschaftler allerdings inzwischen: Dieses Organ hat sich nämlich nicht nur in verschiedenen Säugetieren ganz unabhängig voneinander entwickelt, sondern ist auch einfach immer noch da und nie verschwunden. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass es doch eine Aufgabe hat. „Im Wurmfortsatz findet sich viel lymphatisches Gewebe, das bei der Immunabwehr eine Rolle spielt“, sagt Thimme.

Genauso wie ohne Wurmfortsatz kann man als Erwachsener auch ohne Gallenblase und Milz leben. Die Gallenblase ist ein Relikt aus der Zeit, in der der Mensch nur aller paar Tage oder gar Wochen was zwischen die Zähne bekam. „In dem Moment wurde dann viel Gallensäure gebraucht, um die Nahrung gut verdauen zu können, da machte ein Reservoir wie die Gallenblase natürlich Sinn“, sagt Thimme. Heutzutage reiche hingegen die stetig von der Leber produzierte Gallensäure aus, um die ebenso stetig eintreffende Nahrung zu verdauen.

Etwas anders ist die Lage hingegen bei der Milz. In ihr entstehen vor allem im Kindes- und Jugendalter lebenswichtige Immunzellen, die dem Immunsystem dabei helfen zu erkennen, was zum eigenen Körper gehört und was da möglicherweise Fremdes unterwegs ist und bekämpft werden muss. „Später im Leben können auch andere Körperorgane wie das Knochenmark die Funktion der Milz übernehmen“, sagt Thimme, „aber wir wissen, dass sie weiter eine wichtige Rolle spielt im Immunsystem. So haben Menschen ohne Milz für den Rest ihres Lebens ein erhöhtes Risiko für schwere bakterielle Infektionen.“

Alle bisher erschienenen Folgen finden Sie auf der Übersichtsseite der Kolumne.

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