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Heimkehr mit 92: Blumen für den Stolperstein

Jahrelang legte die Verlegerin Miriam Halberstam Blumen nieder an einem Stolperstein. Jetzt lernte sie die Enkelin kennen und hat ein Buch daraus gemacht.

In der Rankestraße gibt es drei Stolpersteine für Mitglieder der Familie Halberstam, die von den Nazis ermordet worden sind. Jedes Jahr hat die Chefin des Ariella Verlages, Miriam Halberstam, dort am 9. November Blumen niedergelegt.

Um wen genau es sich handelte, davon hatte sie keine Vorstellung, aber sie wusste: „Seit dem 17. Jahrhundert sind alle Halberstams in Berlin irgendwie verwandt.“ Sie gehen zurück auf eine chassidische Rabbinerdynastie, die im 17. Jahrhundert aus dem preußischen Halberstadt nach Russland emigrierte.

Das erzählte sie einem Bekannten, der sie fragte, ob sie zufällig mit Lore Hepner-Halberstam in Chile verwandt sei. Die kannte sie zunächst nicht. Der Kontakt wurde aber rasch hergestellt, und per E-Mail meldete sich die 92-jährige Lore Hepner-Halberstam, die sich über den Kontakt in ihre alte Heimatstadt Berlin freute.

Irrfahrten auf Schiffen

Im Februar 1939 war sie mit ihren Brüdern mit einem Kindertransport nach Holland vor den Nazis in Sicherheit gebracht worden. Im Mai ging es weiter über England nach Kuba.

Mit viel Glück nach manchen Ängsten und Irrfahrten auf verschiedenen Schiffen gelangte die Familie schließlich nach Chile, wo sie sich unter großen Mühen ein neues Zuhause schaffen konnte. Für den Vater, der in Berlin Anwalt am Kammergericht war, gestaltete sich der Neustart schwierig.

Seit dem 17. Jahrhundert sind alle Halberstams in Berlin irgendwie verwandt.

Miriam Halberstam

Mit anderen Emigranten baute der 54-jährige zunächst ein Radiogeschäft auf, das sich aber nicht lange halten konnte. Die Tochter Lore musste mit 15 schon die Schule verlassen, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen.

Später holte sie das Abitur nach und arbeitete in einem Pharmaunternehmen. In den 80er Jahren schrieb sie in ihrer neuen Sprache Spanisch die Familienchronik auf. Da kam nicht nur die Kernfamilie vor, die gerade noch rechtzeitig nach Chile fliehen konnte, sondern auch andere Familienmitglieder, die in Berlin geblieben und von den Nazis ermordet worden waren.

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Tage vor dem Pessachfest stand plötzlich Lore vor der Tür.

Die Stolpersteine in der Rankestraße, an denen die Verlegerin Miriam Halberstam jedes Jahr die Blumen niedergelegt hatte, waren Lores Großeltern und ihrem Onkel gewidmet.

Rasch wurde vereinbart, die Familienchronik auf Deutsch erscheinen zu lassen. Lore Hepner.-Halberstam hatte sie wie einen Brief an ihren Neffen verfasst, der mehr wissen wollte über die Geschichte seiner Familie. Noch bevor das Projekt fertig war, klingelte es im Frühjahr überraschend an Miriam Halberstams Tür.

Das war vier Tage vor dem Pessachfest. Lore hatte sich gemeinsam mit ihrer Tochter Lolinca den Wunsch erfüllt, einmal wieder in ihre alte Heimat zu reisen. Mit diesen Ehrengästen aus Südamerika hätten sie ein besonders bewegendes Pessachfest gefeiert, erzählt Miriam Halberstam.

Danach sind sie gemeinsam in die Rankestraße gegangen, um Blumen niederzulegen an den Stolpersteinen für Wilhelm und Adele Halberstam und deren Sohn Albert.

Natürlich gab es viel zu erzählen. Lore Hepner hatte in erster Ehe einen bekannten chilenischen Journalisten geheiratet, der bereits 1972 starb. 1986 begann ihre Liebesgeschichte mit dem Maler Herbert Louis, dem einstigen Nachbarsjungen aus Schmargendorf, der, wie sie, die Goldschmidtschule besucht hatte und in die USA entkommen war.

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