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Kein Schuss aufs Tor - und trotzdem gewinnen. Das gelang Hertha 2015 gegen Hoffenheim, weil Eugen Polanski ins eigene Tor traf.

© imago/photoarena/Eisenhuth

Hertha BSC spielt bei der TSG Hoffenheim: Wird es in Sinsheim wieder legendär?

Duelle zwischen Hertha BSC und der TSG Hoffenheim waren in der Vergangenheit oft spektakulär. Auch an diesem Samstag steht wieder ein brisantes Aufeinandertreffen an.

Fußballromantiker schauen gerade mit leichter Verzückung auf die Tabelle der Bundesliga. Ganz am Ende, auf Platz 18, rangiert die TSG Hoffenheim, für Fußballromantiker ein Verein, den sowieso niemand braucht.

Sollte der Klub tatsächlich absteigen, hielte sich ihr Bedauern vermutlich in Grenzen. Die TSG ist vielen egal, echte Leidenschaft selbst in der heimischen Arena nur selten zu spüren.

Vielleicht ist das an diesem Samstag anders, wenn der Tabellenletzte den Fünfzehnten Hertha BSC empfängt (15.30 Uhr, Sky). An Brisanz mangelt es jedenfalls nicht. Wie schon häufiger bei Duellen beider Klubs. Ein Rückblick.


Hoffenheim – Hertha 5:1 (2009)

Herthas Gastspiel im September 2009 ist längst zu einem Fall für die Historiker geworden – weil es zwei verschiedene Versionen der Ereignisse gibt, die sich in der Sinsheimer Arena nach dem Schlusspfiff zugetragen haben.

Danke, das war’s. Nach dem 1:5 in Hoffenheim muss Herthas Neu-Manager Michael Preetz seinen Trainer Lucien Favre (r.) entlassen.

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Variante eins besagt, dass Lucien Favre, Herthas Trainer, unmittelbar nach der 1:5-Niederlage in einer Teeküche des Stadions seinen Rücktritt angeboten habe. Nach Variante zwei gibt es in der Arena gar keine Teeküche.

Letztlich ist es unerheblich. Das 1:5 ist für Favres Team die sechste Niederlage nacheinander, die Mannschaft, längst Tabellenletzter, hat sich in Sinsheim wieder einmal als „einfach nicht satisfaktionsfähig“ erwiesen, wie der Tagesspiegel schreibt.

Ein gewisser Vedad Ibisevic feiert an diesem Sonntag seine Wiedergeburt als Torjäger. Nach 44 Sekunden trifft er zum 1:0 für die TSG, und bereits nach 20 Minuten hat er einen Hattrick erzielt. Kurz vor Schluss holt er auch noch den Elfmeter heraus, der zum 5:1-Endstand führt.

Hertha-Schreck. Vedad Ibisevic feiert seine drei Tore. Später wird er auch für Hertha gegen Hoffenheim treffen.

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Es ist auch das Ende für Trainer Favre, der Hertha und Berlin noch im Frühjahr von etwas ganz Großem hatte träumen lassen. Am Abend des nächsten Tages, nachdem der Schweizer ein letztes Mal das Training geleitet hat, verkündet Hertha seine Entlassung. „Es ging so einfach nicht mehr weiter“, sagt Manager Michael Preetz. „Es hat sich alles verkehrt, was in der letzten Saison geklappt hat.“


Hertha – Hoffenheim 3:1 (2012)

„So ein Tag, so wunderschön wie heute“, tönt es aus den Lautsprechern im Olympiastadion. Das letzte Saisonspiel ist gerade abgepfiffen worden, unmittelbar nachdem der Brasilianer Raffael in der Nachspielzeit zum 3:1-Endstand getroffen hat. Aber vorbei ist die Saison für Hertha noch nicht. Das ist die gute Nachricht.

Ein bisschen gerettet. Unter Altmeister Otto Rehhagel erreicht Hertha immerhin die Relegation gegen Fortuna Düsseldorf.

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Es passt zu dieser für die Berliner so chaotischen Saison, dass sie im letzten Spiel auf den Trainer treffen, der zu Beginn der Spielzeit noch bei ihnen an der Seitenlinie stand. Markus Babbel hat wenige Wochen nach seiner Entlassung in Berlin in Hoffenheim die Arbeit aufgenommen. Bei Hertha folgen auf ihn Michael Skibbe (fünf Spiele, fünf Niederlagen) und schließlich Altmeister Otto Rehhagel, der den Abstieg mit der Kraft seiner unendlichen Erfahrung noch verhindern soll.

Am letzten Spieltag springt Hertha immerhin auf den Relegationsplatz – dank des Sieges gegen Hoffenheim und weil der 1. FC Köln gegen die Bayern klar verliert und dadurch hinter die Berliner zurückfällt. Mittelfeldspieler Peter Niemeyer ist „unendlich froh, dass wir nach so einer beschissenen Rückrunde vom lieben Gott noch die Chance bekommen haben, die Relegation zu spielen“. Allzu lange währt diese Freude – Stichwort: Düsseldorf – allerdings nicht.


Hertha – Hoffenheim 0:5 (2014)

Auf Rehhagel und den Abstieg folgt im Sommer 2012 Jos Luhukay als neuer Trainer. Der Holländer führt Hertha umgehend in die Bundesliga zurück und hält die Mannschaft nach dem Aufstieg souverän in der Klasse. Nach zweieinhalb Jahren aber geht auch seine Zeit langsam zu Ende.

Beim 0:5 gegen Hoffenheim zum Abschluss der Hinrunde präsentiert sich Hertha, wie der Tagesspiegel schreibt, als „eine führungs- und orientierungslose Ansammlung von mittelmäßigen Individualisten und keine Mannschaft im eigentlichen Sinne“. John Anthony Brooks, inzwischen selbst Hoffenheimer, bringt die Gäste nach einer Viertelstunde mit einem Eigentor in Führung. Kurz darauf verschuldet der Innenverteidiger auch noch den Elfmeter zum 2:0.

„Es fühlt sich an, als seien es fünf Eigentore gewesen“, sagt Jens Hegeler nach dem Spiel, nach dem Hertha nur noch einen Punkt vor dem Relegationsplatz liegt. Trainer Luhukay darf trotzdem erst einmal weitermachen, ehe es nach zwei Spielen und zwei Niederlagen im neuen Jahr dann doch für ihn vorbei ist.


Hoffenheim – Hertha 2:1 (2015)

Rettung oder Relegation? Das ist für Hertha vor dem letzten Spieltag die Frage. Dass letztlich eine 1:2-Niederlage bei der TSG zum Verbleib in der Bundesliga reicht, passt zu den letzten Wochen der Saison, in denen die Mannschaft von Trainer Pal Dardai noch gehörig ins Trudeln geraten ist.

Die Berliner gewinnen keines der letzten sieben Saisonspiele und büßen damit insgesamt sieben Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone ein. Am Ende trennen sie gerade noch neun Tore vom HSV auf dem Relegationsrang.

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Tore hat Hertha am Ende der Saison 2014/15 Vorsprung auf den Relegationsrang

„Ein Spieltag mehr – und es hätte Hertha vermutlich noch erwischt“, schreibt der Tagesspiegel. Aber solche Rechnungen sind müßig, spätestens nachdem der gerade eingewechselte Roy Beerens in Sinsheim das zwischenzeitliche 1:1 erzielt hat. Roberto Firmino beschert der TSG mit einem Abstaubertor zwar noch den Sieg, aber das tangiert Hertha nur noch am Rande. Der Klub bleibt erstklassig. „Es war nicht schön, aber wir haben es geschafft“, sagt Dardai, der zur Belohnung einen neuen Vertrag erhält.


Hertha – Hoffenheim 1:0 (2015)

„Ein Schweinespiel war das“, schreibt der Tagesspiegel über Herthas 1:0-Sieg gegen die TSG. Dass dieses Schweinespiel hier trotzdem Aufnahme findet, hängt mit einer statistischen Besonderheit zusammen, von der viele Fans der Berliner noch heute sprechen.

Im dichten Schneetreiben gewinnt Hertha nämlich, ohne einen einzigen Schuss aufs Tor der TSG abgegeben zu haben. Das 1:0 erzielt Hoffenheims Mittelfeldspieler Eugen Polanski, der eine Freistoßflanke von Marvin Plattenhardt mit dem Kopf ins eigene Tor verlängert.


Hoffenheim – Hertha 0:3 (2020)

Im Frühjahr 2020, in den ersten Wochen der Corona-Pandemie, ist das „Team Vorsicht“ ganz sicher kein Fan von Hertha BSC. Erst gibt Salomon Kalou mit seinem Live-Video das Hygienekonzept der DFL der Lächerlichkeit preis. Und als dann die Bundesliga nach 65 Tagen Zwangspause endlich ihren Betrieb wieder aufnehmen darf, sind es ausgerechnet die ohnehin argwöhnisch beäugten Berliner, die es mit den Abstandregeln nicht so genau nehmen.

Wir sind Fußballer, keine Roboter.

Vedad Ibisevic nach dem nicht coronakonformen Jubel über den Sieg gegen Hoffenheim

„Wir sind Fußballer, keine Roboter“, entschuldigt sich Vedad Ibisevic, der sich von seinen Kollegen nach dem Tor zum zwischenzeitlichen 2:0 in Sinsheim hat herzen lassen. Und weil Hertha auch nach dem Treffer zum 3:0-Endstand durch Matheus Cunha erneut im Rudel jubelt, ist die Aufregung mal wieder groß.

Das Spiel bei der TSG ist nicht nur das erste unter Coronabedingungen – es ist für Hertha auch das erste mit Bruno Labbadia als Trainer. Während des Lockdowns hatte er die Nachfolge von Interimstrainer Alexander Nouri angetreten, der zuvor Assistent von Jürgen Klinsmann gewesen war. Klinsmann wiederum hatte im Herbst Ante Covic abgelöst, der erst im Sommer zum Chefcoach befördert worden war.


Hertha – Hoffenheim 3:0 (2022)

Am Freitag stand Sandro Schwarz nach seinem Magen-Darm-Infekt wieder auf dem Trainingsplatz. Sein Einsatz an diesem Samstag in Sinsheim ist nicht in Gefahr. Dabei könnte es sogar ein gutes Omen sein, wenn sich Herthas Cheftrainer gegen die TSG von seinem Assistenten vertreten lassen würde.

So war es auch vor ziemlich genau einem Jahr, ebenfalls gegen Hoffenheim. Im Olympiastadion hätte es eigentlich das Debüt des neuen Hertha-Trainers Felix Magath geben sollen. Doch der Nachfolger des glücklosen Tayfun Korkut steht nicht an der Linie. Er sitzt in seinem Hotelzimmer vor dem Fernseher. Zwei Jahre lang ist das Coronavirus Magath aus dem Weg gegangen, kaum aber ist er in Berlin, erwischt es ihn.

Gegen Hoffenheim übernimmt Mark Fotheringham, Magaths schottischer Assistent, den Job an der Seitenlinie – mit großem Eifer und viel Energie. „Der ist Wahnsinn, der Typ“, sagt Verteidiger Niklas Stark. 3:0 gewinnt Hertha, alle drei Treffer fallen im Anschluss an Standardsituationen. So einfach kann Fußball sein.

Und so schön. Hertha feiert nach fünf Niederlagen nacheinander den ersten Sieg im Jahr 2022. Erleichterung macht sich breit, auch leise Zuversicht. Zumindest bis zum nächsten Vormittag. Da tritt Lars Windhorst, Herthas Investor, als Studiogast bei Bild-TV auf. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

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