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Echter Herthaner. Jessic Ngankam bejubelt sein Elfmetertor gegen Mainz 05.

© IMAGO/Jan Huebner

So hilft Jessic Ngankam Hertha BSC im Abstiegskampf: Wuchtig, fleißig und eine Zumutung für jeden Gegner

Jessic Ngankam war schon als Kind Hertha-Fan. Einen Abstieg würde er vermutlich als persönliche Beleidigung auffassen. Das merkt man.

Mit bald 33 Jahren ist Florian Niederlechner erfahren genug, um die Gesetzmäßigkeiten des Profifußballs zu kennen. Stürmer, wie er einer ist, werden irgendwann auch an der Anzahl ihrer erzielten Tore gemessen. Und da sieht es für Niederlechner gerade nicht allzu rosig aus.

Seit seinem Debüt für Hertha BSC im Derby gegen Union als Einwechselspieler hat er stets in der Startelf gestanden. Doch in nun sieben Einsätzen und 433 Minuten auf dem Platz war der Neuzugang, der im Winter vom FC Augsburg gekommen ist, noch an keinem einzigen Tor beteiligt. So etwas nagt an einem Angreifer, auch an Florian Niederlechner. „Ich muss selber mal schauen, dass ich eine Kiste mache“, sagte er nach dem 1:1 gegen den FSV Mainz 05.

Tore sind die besten Argumente für einen Stürmer. Wer keine erzielt, kommt irgendwann in Erklärungsnot. Zumal wenn der Trainer die volle Auswahl hat so wie derzeit Sandro Schwarz. Dem Trainer von Hertha BSC stehen aktuell alle Angreifer zur Verfügung. Wilfried Kanga feierte gegen Mainz nach sechswöchiger Pause sein Comeback, und selbst Stevan Jovetic ist momentan mal nicht verletzt.

Muss sich Florian Niederlechner also Sorgen machen? Nein, sagt Sandro Schwarz. Niederlechner sei „nicht gefährdet“. Weil nicht nur Tore und Vorlagen in die Bewertung einfließen, sondern auch andere Parameter, die weiterhin für Niederlechner sprechen.

War keiner. Da haben wir Glück gehabt.

Herthas Trainer Sandro Schwarz über den Handelfmeter für sein Team.

„Er arbeitet sehr fleißig“, sagt Herthas Trainer Schwarz. „Er ist immer da, er ist in der Box präsent. Was er abruft, ist sehr gut.“ Trotzdem müsse er sich auch den nächsten Startelfeinsatz natürlich wieder durch entsprechende Trainingsleistungen verdienen.

Im Spiel gegen Mainz hat Niederlechner einigermaßen generös auf die Chance verzichtet, weitere Argumente in eigener Sache zu liefern. Wenn er es nur mehr gewollt hätte, dann hätte er nach etwas mehr als einer Viertelstunde den seltsamen Handelfmeter schießen können, den Schiedsrichter Benjamin Cortus im Verbund mit dem Videoassistenten den Berlinern zugesprochen hatte. Statistisch betrachtet liegt die Wahrscheinlichkeit, vom Elfmeterpunkt zu treffen, bei 77 Prozent. Recht gute Aussichten also.

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Einsätze hatte Ngankam in den neun Spielen dieses Jahres.

Aber Jessic Ngankam war schneller. Er vergewisserte sich zwar noch schnell bei Niederlechner, ob er lieber zur Ausführung schreiten wolle. „Aber ich mach‘ da kein Fass auf. Wenn er schon am Punkt steht und sich den Ball nehmen will, bin ich keiner, der Ärger macht“, sagte Niederlechner. „Er hat ihn reingemacht, von daher ist alles super.“

Herthas eigentlicher Elfmeterschütze Dodi Lukebakio saß zu diesem Zeitpunkt noch auf der Bank. Und er saß dort, weil Schwarz ihm den erst 22 Jahre alten Ngankam vorgezogen hatte. Für den zu erwartenden Abnutzungskampf gegen Mainz 05 hatte Herthas Trainer den wuchtigen und bulligen Ngankam als besser geeignet erachtet als den eher feingliedrigen Lukebakio – auch wenn der Belgier mit Abstand Herthas bester Torschütze in dieser Saison ist.

Schwarz hat im Sturm die volle Auswahl

Die personellen Möglichkeiten erlauben es Schwarz eben, die Wahl seines Sturmduos stärker an die Erfordernisse des jeweiligen Spiels und des jeweiligen Gegners anzupassen. Mit dem robusten Ngankam machte er gegen die robusten Mainzer vieles richtig. Nächste Woche gegen die TSG Hoffenheim kann es schon wieder ganz anders aussehen – weil die Hoffenheimer eher über die spielerische als die kämpferische Komponente kommen.

Grundsätzlich aber ist die aktuelle Situation, in der Hertha knietief im Abstiegskampf steckt, wie gemeißelt für einen Kämpfer wie Ngankam. „Ich finde, dass er eine sehr gute Leistung abgerufen hat“, sagte Trainer Schwarz nach dem Unentschieden gegen Mainz. „Das, was er im Tank hatte, hat er komplett abgerufen. Er hat viel gearbeitet, viele Bälle behauptet, auch viele zweite Bälle behauptet.“

Ngankam, gebürtiger Berliner, in Herthas Jugend ausgebildet und 2018 mit der U 19 des Klubs Deutscher Meister geworden, zeigt genau das, was Schwarz sich in der Winterpause von ihm erhofft hatte. „Er ist wie ein Neuzugang für uns“, hatte Herthas Trainer gesagt.

Ngankam hatte in den vergangenen anderthalb Jahren wenig Glück mit seinem Körper. Im Sommer 2021, gerade erst an den Aufsteiger Greuter Fürth verliehen, riss er sich das Kreuzband und fiel ein Dreivierteljahr aus. Zurück in Berlin verletzte er sich an einem der ersten Tage in der Vorbereitung erneut, so dass er bis zur WM-Pause keine einzige Sekunde auf dem Platz stehen konnte.

Der Körper spielt jetzt auch mit

Im Winter aber blieb Ngankam von weiteren Malaisen verschont. „Mit der Vorbereitung, mit der Fitness setzt er das um, was wir brauchen: diese Wucht, diese Power, diese Geradlinigkeit“, sagt Schwarz. So ist Ngankam zu einem echten Faktor in Herthas Spiel geworden. In allen neun Begegnungen in diesem Jahr ist er zum Einsatz gekommen, viermal stand er in der Startelf.

Ngankam ist schon seit seiner Kindheit Hertha-Fan. Einen Abstieg würde er auch persönlich nehmen. Umso entschlossener wehrt er sich dagegen. Er lässt nicht locker, nervt seine Gegenspieler und bereitet ihnen auch körperliche Schmerzen.

„Jessic ist einer, der sich in jeden Ball reinhaut“, sagte Florian Niederlechner nach dem Unentschieden gegen Mainz. Während des Spiels hatte er mit Interesse zur Kenntnis genommen, wie sich die Mainzer Innenverteidiger über seinen Sturmpartner äußerten: „Wenn ich es richtig gedeutet habe, dann war es ziemlich eklig für sie.“

Jessic Ngankam schmunzelte, als er mit dieser Aussage seines Kollegen konfrontiert wurde. „Ich habe einfach Fußball gespielt: Kopf ausgeschaltet und Spaß gehabt“, sagte er. Offensichtlich war der Spaß ziemlich einseitig.

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