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„Rassismus tötet“ steht auf dem Plakat während einer Demonstration der Bewegung „Black Lives Matter“ in Berlin 2021

© REUTERS/Christian Mang

Bericht der EU-Grundrechteagentur: Schwarze in Europa erleben schärferen Rassismus

Trotz aller Appelle: Das Leben von Menschen afrikanischer Herkunft in Europa ist noch härter geworden. Die EU-Grundrechte-Agentur präsentiert neue Höchststände erlebter Diskriminierung.

| Update:

Fast die Hälfte der Menschen dunkler Hautfarbe in Europa sehen sich rassistischer Diskriminierung ausgesetzt und in ihren Chancen auf Wohnungen und Arbeit zurückgesetzt. Die Zahlen dazu hat der am Mittwoch veröffentlichte Bericht der Europäischen Grundrechte-Agentur (FRA) erhoben.

Demnach machen 45 Prozent der EU-Bevölkerung mit afrikanischer Abstammung diese Erfahrung. Beim letzten Bericht der FRA unter dem Titel „Being Black in the EU“ berichteten deutlich weniger, 39 Prozent, von entsprechenden Erlebnissen.

Die Agentur wertete dafür die Erfahrungen von mehr als 16.000 Menschen aus, die in Ländern der Europäischen Union leben und die mindestens ein Elternteil aus Nord- oder Subsahara-Afrika, der Türkei und Syrien hatten oder selbst dort geboren wurden.

Geringste Ausgrenzung in Polen, Portugal, Schweden

Der Report fragte nach Alltagserfahrungen wie Beleidigungen und abschätzigen Bemerkungen wie auch nach Diskriminierung bei der Arbeits- und Wohnungssuche oder in Bildungseinrichtungen. Dabei ergaben sich für die beiden deutschsprachigen EU-Mitglieder sogar noch höhere Werte:

In Deutschland und Österreich erlebten mehr als zwei Drittel der afrikanischstämmigen Einwohner:innen in den letzten fünf Jahren rassistische Ausgrenzung - die höchsten Werte aller untersuchten EU-Länder:

In Österreich berichteten 76 Prozent der Befragten von derartigen Erfahrungen in den vergangenen fünf Jahren, in Deutschland 77 Prozent. Ihnen folgen Finnland (66) und Dänemark. Die geringste Ausgrenzung erfuhren Schwarze Menschen in Portugal, Polen und Schweden.

77
Prozent der Schwarzen Menschen in Deutschland berichten über Rassismus, der EU-Spitzenwert

Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der dunkelhäutigen Europäer:innen und Zugezogenen erlebten etwa eine Polizeikontrolle als rassistisch motiviert. Je ein Drittel etwa sahen sich diskriminiert, wenn sie eine Arbeitsstelle suchten (34 Prozent), auf der Arbeit selbst (31 Prozent) oder beim Versuch, eine Wohnung zu finden (31 Prozent).

Die FRA weist darauf hin, dass sie häufiger Zeitverträge bekamen oder für ihre Arbeit überqualifiziert waren. Die meisten derer, die das in der Untersuchung der Wiener Behörde angaben, hatten eine höhere Bildung und waren jung. Eltern dunkelhäutiger Kinder gaben im neuesten Bericht häufiger noch als 2016 an, dass ihre Kinder in der Schule diskriminiert würden.

In Deutschland erhobene Zahlen noch höher

Vor zwei Jahren hatte eine erste Datenerhebung für Deutschland noch massivere Werte ergeben: Im ersten Afrozensus der deutschen Schwarzen Bevölkerung sagten nur 2,7 Prozent der Befragten, dass sie nie Rassismus erlebten.

Die übrigen 98,1 Prozent berichteten von Erfahrungen, schlechtere Noten in der Schule oder an der Uni zu bekommen oder auch in Arztpraxen mit ihren Beschwerden nicht ernstgenommen zu werden. Der Grundrechte-Agentur zufolge reden überhaupt nur neun Prozent über ihren Alltag mit Rassismus.

Die Beobachtungsstelle Nadira beim Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hatte letztes Jahr auch Zahlen erhoben, die deutlich machen, dass Rassismus keineswegs nur ein Thema der betroffenen Minderheiten ist.

Demnach wussten fast 90 Prozent der deutschen Bevölkerung darum, dass es Rassismus in ihrem Land gibt; eine große Zahl von Menschen empfand dies auch als skandalös und fühlte sich emotional betroffen, auch wenn sie ihn gegen andere erlebten.

Die Grundrechteagentur verwies am Mittwoch auf die vielen Verpflichtungen der EU-Mitgliedsstaaten, Gleichbehandlung durchzusetzen, aber auch auf die Folgen von Rassismus für die Gesellschaft insgesamt „Vertrauen zu staatlichen Behörden, einschließlich der Polizei, sind der Schlüssel für Teilhabe und Zusammenhalt.“ Die Umfrage zeige, „dass Erfahrungen mit rassistischer Diskriminierung dieses Vertrauen, auch das ins Rechtssystem und kommunale Behörden, „untergraben können“.

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