zum Hauptinhalt
Ein Aktenordner, auf dem die Fahndungsfotos des ehemaligen Wirecard-Vorstandsmitglieds Jan Marsalek befestigt sind.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Berichte über Flucht, Spionage und Priestertarnung: Ex-Wirecard-Manager Marsalek soll russischen Agentenring geleitet haben

Seit 2020 ist der ehemalige Dax-Vorstand auf der Flucht, längst wird er in Russland vermutet. Nun hat ein Recherchenetzwerk offenbar weitere Details über sein Doppelleben aufgedeckt.

| Update:

Bei Recherchen über den abgetauchten und ehemaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek verdichten sich die Hinweise auf enge Kontakte nach Russland, die der Ex-Manager weit vor seiner Flucht unterhalten haben soll. Medienberichten zufolge soll der heute 43-Jährige jahrelang für russische Geheimdienste aktiv gewesen sein.

Wie der „Spiegel“, das ZDF, der österreichische „Standard“ und die russische Plattform The Insider am Freitag unter anderem unter Berufung auf westliche Geheimdienstinformationen berichten, soll Marsalek über einen Vertrauten von 2014 an enge Kontakte zum russischen Militärnachrichtendienst GRU und zu Abgeordneten der Duma geknüpft haben.

Anschließend soll er auch für Russlands Inlandsgeheimdienst FSB gearbeitet haben. Britische Staatsanwälte werfen Marsalek den Berichten zufolge vor, noch 2023 einen Agentenring in London gesteuert zu haben.

„Baute als Dax-Vorstand offenbar ungestört ein Spionagenetzwerk auf“

Laut österreichischen Ermittlungsakten sei er Teil einer „nachrichtendienstlichen Zelle“ im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in Wien gewesen, schreibt der „Standard“. Die Zelle soll unter Anleitung des gebürtigen Wieners Marsalek für Russland spioniert haben.

Ausgespäht wurde demnach eine Vielzahl von Personen, die auffällig oft einen „Zusammenhang mit den Interessenlagen der russischen Föderation“ aufwiesen, wie der „Standard“ unter Verweis auf vertrauliche Ermittlungsakten berichtet.

„Die Recherchen legen nahe, dass Marsalek über eigene Netzwerke dem Kreml missliebige Personen in Europa ausgespäht hat und womöglich sensible Informationen nach Russland übermittelt haben könnte“, heißt es in dem ZDF-Bericht. Betroffen gewesen seien zum Beispiel in Europa lebende Journalisten. 

„Über Jahre baute er als Vorstand eines Dax-Konzerns offenbar ungestört ein Spionagenetzwerk auf“, schreibt der „Spiegel“.

Außerdem soll er mit Wagner-Söldnern in Syrien gewesen sein, wo diese gemeinsam mit russischen und syrischen Truppen gegen Dschihadisten kämpften. 

„Vieles deutet darauf hin, dass Marsalek so auch Wirecard in russische Geheimdienstaktivitäten einspannte. Dass Geld gewaschen wurde, Söldner über das Unternehmen bezahlt wurden.“

Wie die Medien weiter berichten, sollen russische Behörden Marsalek dabei geholfen haben, nach seiner Flucht im Jahr 2020 eine neue Identität anzunehmen. Marsalek gab sich demnach im September 2020 auf der Krim als russisch-orthodoxer Priester aus.

Bundestagsabgeordneter fordert Sonderermittler

Ein Sprecher der Bundesregierung sagte am Freitag, er könne keine Angaben zu dem Fall machen. Der stellvertretende PKGr-Vorsitzende Roderich Kiesewetter (CDU) zeigte sich überzeugt, dass Marsalek jahrelang russischer Agent gewesen sei. „Es vermittelt den Eindruck, dass es sich um eine breit angelegte russische Nachrichtendienstoperation handelt“, so Kiesewetter im ZDF. 

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Als Reaktion auf die Vorwürfe gegen Marsalek forderte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), Konstantin von Notz (Grüne), die Beauftragung eines Sonderermittlers.

Die Recherchen zeigten sehr wahrscheinlich, dass „es sich um eine russische Spionage-Einflussoperation handelt, und ich könnte mir gut vorstellen, dass man versucht, mit einem Sonderermittler diesen Fragen auf den Grund zu gehen“, sagte von Notz dem ZDF.

„Weil das eine so relevante Sicherheitsfrage für andere Dax-Unternehmen, für die deutsche Wirtschaft, für die deutsche Politik ist“, gebe es die Pflicht, „ganz genau hinzugucken und jetzt wirklich zu ermitteln“, so von Notz. 

Marsaleks Anwalt äußerte sich demnach nicht zu den Vorwürfen. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte am Freitag, er könne keine Angaben zu dem Fall machen.

Marsalek befindet sich seit der Insolvenz des Zahlungsunternehmens Wirecard im Juni 2020 auf der Flucht und wird in Russland vermutet. Die Wirecard-Insolvenz gilt als einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik Deutschland. (AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false