zum Hauptinhalt
Kataloniens geflohener Präsident Carles Puigdemont verlässt die JVA Neumünster im April 2018.

© Getty Images/Bearbeitung: TSP | getty-images/Morris MacMatzen

Der katalanische Ex-Präsident im Exil: Was macht Carles Puigdemont seit der Verhaftung in Deutschland?

Vor fünf Jahren wurde Puigdemont auf der Flucht vor Spaniens Justiz in Deutschland verhaftet. Bis heute kämpft er für Kataloniens Unabhängigkeit, auch wenn sich viel geändert hat.

1 Die Flucht

Katalonien gilt in Spanien seit jeher als rebellische Provinz – mit eigener Sprache und separatistischen, oft linken Traditionen. An Protesten der Unabhängigkeitsbewegung beteiligten sich seit der Jahrtausendwende mitunter 1,5 der 7,5 Millionen Einwohner Kataloniens. Carles Puigdemont war Regierungschef einer proseparatistischen Koalition, der Konservative bis Linksradikale angehörten, als er im Oktober 2017 ein von Spaniens oberstem Gericht untersagtes Referendum abhalten ließ.

Die Unterstützer der Opposition boykottierten die Abstimmung, in der so 90 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeit votierten. In Barcelona gab es Straßenschlachten mit Madrid unterstellten Polizei-Einheiten, Katalonien kam vorübergehend unter Zwangsverwaltung der Zentralregierung. Vergeblich hoffte Puigdemont auf Verhandlungen mit Spaniens rechtskonservativen Premier Mariano Rajoy. Weil Spaniens Justiz ihn wegen „Aufruhr“ und „Steuergeldveruntreuung“ suchte, floh Puigdemont mit Getreuen ins Ausland. Spaniens Zentralregierung ließ die Auslandsvertretungen der autonomen Region vorübergehend schließen.

2 Das Exil

Puigdemont und einige Getreue fanden Exil in Belgien. Andere Spitzenpolitiker der Unabhängigkeitsbewegung wurden in der Heimat zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt, wenngleich man sie inzwischen begnadigt hat. Bald reiste Puigdemont trotz spanischen Haftbefehls zu Interessierten durch Europa. Erst Ende März 2018 wurde er auf einer Rückreise von Finnland aus Dänemark kommend in Schleswig-Holstein festgenommen. Das zuständige Gericht erließ zunächst einen Auslieferungshaftbefehl wegen Veruntreuung – gemeint ist für Sezessionszwecke verwendetes Steuergeld.

Spaniens Vorwurf des „Aufruhrs“, was am ehesten vielleicht „Hochverrat“ entspricht, erkannte das Gericht nicht an, denn Puigdemonts Taten seien gewaltlos geblieben: Die Bundesrepublik dürfe Kataloniens geflohenen Präsidenten also nur ausliefern, wenn Spaniens Justiz garantiere, Puigdemont nicht wegen dieses Vorwurfs anzuklagen. Dem stimmten die spanischen Richter nicht zu. Nach knapp zwei Wochen wurde Puigdemont entlassen, er reiste nach Berlin. Sein Interims-Nachfolger in Barcelona sprach von ihm stets als dem legitimen Präsidenten Kataloniens.

3 Die Heimat

Von Berlin aus forderte Puigdemont erneut Kataloniens Unabhängigkeit. Vom belgischen Exil aus kandidierte er für Katalonien für das EU-Parlament, errang 2019 ein Mandat. Der konservative Premier Rajoy war da schon vom Sozialdemokraten Pedro Sánchez abgelöst; einige Separatisten wurden begnadigt. Routiniert spricht Kataloniens neuer Präsident Pere Aragonès von der linksnationalistischen ERC mit Sánchez. Um den Konflikt zu entschärfen, schaffte Spanien den „Aufruhr“-Tatbestand ab. Im Januar 2023 entschied die Justiz, Puigdemont müsse sich nur noch wegen Taten verantworten, für die maximal vier Jahre Haft drohen.

Aber zurück kommt er so bald nicht. Oft wurde zwar über seine Immunität als EU-Parlamentarier gestritten, doch Puigdemont hat sich in Belgien eingerichtet. In Katalonien vereinen die Unabhängigkeitsbefürworter circa 50 Prozent der Stimmen – gerade Puigdemonts bürgerliche „Junts per Catalunya“ bleibt in der Sezessionsfrage hart. Angesichts des Krieges in der Ukraine wird der Katalonien-Konflikt international derzeit kaum wahrgenommen. Mit einem neuen Versuch der Schotten, das Post-Brexit-Großbritannien zu verlassen, könnte sich das ändern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false