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Handschlag für einen beschämenden Deal

© action press/APA Images via ZUMA Press Wire /

EU-Flüchtlingsdeal mit Tunesien: Europa hofiert wieder die Autokraten

Statt den autoritären Präsidenten Saied unter Druck zu setzen, unterstützt Europa menschenfeindliche Politik. Und lässt die Demokraten in Tunesien allein.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Der Pakt mit Tunesiens Machthaber Kais Saied in der Flüchtlingsfrage kehrt die EU endgültig zu ihrem alten Paradigma zurück: Sie alimentiert einen Autokraten oder Diktatoren, damit er für Stabilität sorgt und Europa die Flüchtlinge vom Hals hält.

Nach den Volksaufständen in der arabischen Welt, die 2011 in Tunis ihren Anfang genommen hatten, wollten die Europäer eigentlich umdenken. Aber aus Angst vor Rechtspopulisten und Rechtsextremen in Europa hat die EU jetzt um jeden Preis einen Deal mit Tunesien haben wollen.

Dabei fließt Geld ohne politische oder wirtschaftspolitische Reformbedingungen. Hauptsache kein afrikanischer Flüchtling gelangt über das Mittelmeer. 

Tunesiens autokratischer Herrscher Saied hat seine einzige Karte gut ausgespielt, um Geld in die leere Staatskasse zu spülen. Er hat das europäische Trio von der Leyen, Meloni und Rutte beim ersten Besuch in Tunis im Juni auch noch auflaufen lassen. Er werde nicht den „Gendarmen für Europa spielen“ hatte er danach verkündet – wohl um den Preis noch etwas zu erhöhen.

Nun hat er einen Deal, bei dem zumindest 150 Millionen Euro direkt ins Budget fließen und er mit weiteren 105 Millionen seinen Repressionsapparat weiter ausbauen kann – der dann auch gegen Flüchtlinge zum Einsatz kommen soll.

Denn ob die von der EU-Kommissionspräsidenten geforderten Standards im Umgang mit Geflüchteten eingehalten werden, ist mehr als fraglich. Saied selbst hat durch fremdenfeindliche Äußerungen die Stimmung im Land gegen die zumeist aus Subsahara stammenden Migranten angeheizt. Gewaltsame Ausschreitungen waren die Folge.

Was war nochmal mit wertegeleiteter Außenpolitik?

Nun werden Geflüchtete sogar hilflos in der Wüste ausgesetzt. Nicht gerade ideale Voraussetzungen für eine wertegeleitete Außenpolitik. Da braucht es einen Mentalitätswandel, könnte man meinen. Doch woher soll er kommen und wie will die EU den kontrollieren?

Dafür hätte der zweite Pfeiler des Pakets zumindest Hilfe beim Aufbau eines bisher fehlenden Rechtsrahmens für Migration, Asyl, Integration in den Arbeitsmarkt sein müssen. Das ist in Tunesien bisher größtenteils ein rechtsfreier Raum.

Kein Dissens über Umgang mit Geflüchteten

Noch verstörender ist, dass tunesische Demokraten und Menschenrechtler den Eindruck haben, dass es nicht einmal mehr einen Dissens zwischen Europa und Präsident Saied über den humanen Umgang mit Geflüchteten gibt. Gerade mit Italiens Regierung sehen sie große ideologische Übereinstimmung.

So ist dieser Flüchtlingsdeal ein Erfolg für den Autokraten Saied und eine Niederlage auch für die tunesische Zivilgesellschaft, die sich verzweifelt gegen die immer stärkere Unterdrückung wehrt.

Angefeindet und als „Menschenhändler“ diffamiert werden von Tunesiens Präsident übrigens auch die Organisationen, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzen oder gar deren Leben retten wollen.

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