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Der russische Präsident Waldimir Putin im November 2022.

© Vladimir Smirnov/TASS

Kampf um Macht und Ansehen: Eine Schlammschlacht zwischen Ultranationalisten spielt Putin in die Karten

Zwei prominente Figuren im russischen Informationsraum des Kriegs gehen sich in aller Öffentlichkeit an. Zur Freude Wladimir Putins.

Laut den Analysten des US-Militär-Think-Tanks „Institute for the Study of War“ (ISW) tobt unter russischen Ultranationalisten ein Kampf um Einfluss und Ansehen. Als Profiteur sehen die Experten vor allem eine Person: Kreml-Chef Wladimir Putin.

Konkret geht es um die Fehde zwischen dem Chef der Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, und dem ehemaligen Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU sowie dem Anführer der pro-russischen Truppen der völkerrechtlich nicht anerkannten Donezker Volksrepublik, Igor Girkin.

Beide Akteure versuchen seit Kriegsbeginn immer wieder, durch ihre offene Kritik an der russischen Militärführung ihren Einfluss unter russischen Ultranationalisten auszuweiten. Dort herrscht Frust über die bisherigen Misserfolge in der Ukraine. Die Maßnahmen Putins, um den Krieg zu gewinnen, wertet man dort als zu schwach.

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Eine Schlammschlacht zwischen russischen Hardlinern

Weil beide um denselben Machtzirkel konkurrieren, gehen sich der Söldner-Chef und der in Veteranenkreisen noch immer populäre Girkin in der Öffentlichkeit gegenseitig an. Mittlerweile erreichen die Streitereien das Format einer veritablen Schlammschlacht.

In einem TV-Interview des Wagner-nahen TV-Senders RiaFan hatte ein Wagner-Kommandeur Girkin zuletzt vorgeworfen, bei der russischen Invasion im Donbass 2014 seine Stellung absichtlich aufgegeben zu haben, berichtet das ISW. Aus Sicht des ehemaligen GRU-Obersts ein eindeutiger Versuch Prigoschins, ihn unter dem Deckmantel der Anonymität zu diskreditieren.

Die Reaktion des Söldner-Chefs folgte prompt. Prigoschin erklärte, er hege keine politischen Ambitionen und sendete als ironischen Gruß noch eine Einladung an Girkin hinterher, sich doch einer der Wagner-Schocktruppen im Donbass anzuschließen.

Der ehemalige pro-russische Separatistenführer in Donezk, Igor Girkin

© Photomig/dpa

Girkin wiederum erwiderte, er würde der Aufforderung nachkommen, wenn Wagner ihm eine offizielle Einladung schicke. Den Schlusspunkt in der Seifenoper russischer Kriegstreiber setzte dann Prigoschin: Wagner würde keine offiziellen Einladungen verschicken, und er (Girkin) hätte an der Front keinen Wert, da er bloß ein Selbstdarsteller sei, der aus finanziellen Interessen handele.

An der Streiterei lässt sich gut erkennen, welche Kräfte der Krieg mit seinem für Russland bisher ungünstigen Verlauf entfesselt hat. Ob Söldner-Chef, Veteran oder offizieller Militär-Vertreter, sie alle versuchen, ihre Macht auszuweiten oder den Status-Quo als Teil von Putins engstem Zirkel beizubehalten.

Für Prigoschin steht viel auf dem Spiel

Insbesondere für Wagner-Chef Prigoschin geht es mittlerweile um viel. Seine Söldner schickte er in der Hoffnung auf leichte Beute und öffentlichen Ruhm in den Donbass.

Im Kampf um die Städte Bachmut und Soledar rieben sich seine Truppen jedoch auf. Die territorialen Gewinne blieben marginal. Der Versuch, sich im russischen Informationsraum als Macher im sonst bisher so erfolglosen Krieg zu positionieren, ging bisher nicht auf - ebenso wenig wie der Plan, für seine Söldnertruppe den Status einer legalen Armee in Russland zu erlangen. Paramilitärische Gruppen sind in Russland eigentlich verboten.

Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin

© Foto: Imago/Itar-Tass/Mikhail Metzel

Prigoschins regelmäßige Anbiederung bei Hardlinern der russischen Staatsduma würden ebenso auf dieses Ziel einzahlen wie die Attacken auf Girkin, schreiben die Experten des ISW.

„Für Prigoschin wäre die Legalisierung seiner Truppen eine Goldgrube, denn dadurch würde er Zugang zu staatlichen Militärgeldern erhalten“, sagt der Russlandexperte Andras Rácz von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vor wenigen Wochen im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Gleichzeitig würde es seine Position im Kampf um Einfluss in Putins Machtsystem deutlich verbessern.

Etwas anders schätzt das ISW die übergeordneten Motive Girkins ein. Girkin, der im August 2014 aus dem Amt des Verteidigungsministers der Donezker Volksrepublik (DNR) entfernt wurde und als Mittäter für den Absturz des Malaysia-Airlines-Flug 17 in Den Haag verurteilt wurde, habe seinen Einfluss im Kreml seitdem nicht wiedererlangt. Möglicherweise handele er deswegen vor allem aus Frust.

Putin, der Profiteur

Freuen dürfte sich über den öffentlich ausgetragenen Zoff vor allem Wladimir Putin. Die kürzliche Ernennung des ihm eng vertrauten Generals Walerei Gerassimov zum Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine werteten Experten als klares Signal gegen Prigoschin und seine Söldner, es mit der Kritik am russischen Militär nicht zu übertreiben.

Zuletzt gab es zudem Berichte, wonach bei der Vorbereitung einer neuen russischen Offensive Wagner-Söldner deutlich weniger als zuletzt berücksichtigt werden würden.

Die Experten des ISW glauben jedoch, dass Putin für den Veteran und Dauerkritiker Girkin noch weniger übrighat als für den Warlord Prigoschin. Mit der öffentlichen Bloßstellung Girkins hätte ihm der Wagner-Chef somit - womöglich unfreiwillig - einen Gefallen getan. (Tsp)

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