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Die Leibwächter des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik werden von Wagner gestellt.

© Foto: FLORENT VERGNES/AFP

Kämpfer, Goldgräber, Propagandisten: Was wird jetzt aus den Wagner-Missionen in Afrika?

Mali, Sudan, Libyen – Tausende Wagner-Söldner sind in Afrika aktiv. Ohne die russischen Söldner würden sich die Machtverhältnisse in einigen Ländern wohl schnell ändern.

Für den Chef der berüchtigten Wagner-Truppe, Jewgeni Prigoschin, ist die Reise offenbar vorerst zu Ende. So ist am Dienstag ein Geschäftsreiseflugzeug vom Typ Embraer Legacy 600, das von den USA mit dem russischen Söldnerchef in Verbindung gebracht wird, in der belarusischen Hauptsadt Minsk eingetroffen. Nach dem abgebrochenen Putsch vom Wochenende hatte sich Prigoschin auf den Weg in Russlands Nachbarstaat gemacht – ins politische Exil. Jetzt bestätigte der belarusische Diktator Alexander Lukaschenko die Ankunft des Wagner-Führers.

Für den gäbe es möglicherweise aber noch weitere Optionen, sich einen Sitz im Ausland zu schaffen. So verfügt Wagner etwa in Afrika über viel Einfluss, darunter vor allem in den Krisenstaaten Mali und der Zentralafrikanischen Republik, aber auch im Sudan oder in Libyen. Wie geht es dort weiter mit der kriselnden Wagner-Truppe?

Seit gut sechs Jahren sind Mitarbeiter und Söldner im Wagner-Auftrag auf dem Kontinent im Einsatz. Das private Sicherheitsunternehmen unterstützt Armeen und autokratische Regierungen im Kampf gegen Islamisten und Rebellen. Im Gegenzug erhält Wagner Zugang Gold- und Diamantenminen sowie zu anderen Bodenschätzen.

Gute Geschäfte

Für Prigoschin Privatarmee ist es ein lukratives Geschäft. Für Russlands Präsidenten Wladimir Putin war das bislang, vor allem in Zeiten westlicher Sanktionen, stets eine gute Einnahmequelle. Wie es damit weitergeht, ist nach dem Zerwürfnis zwischen Putin und Prigoschin allerdings völlig offen.

Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, soll inzwischen im belarusischen Exil eingetroffen sein.

© dpa/-

Bereits kurz nach der russischen Invasion der Ukraine im vergangenen Jahr hatte Prigoschin einen Teil seiner Kämpfer aus Afrika abgezogen. Der Bruch zwischen dem Söldner-Chef und dem Kreml dürfte bei den Wagner-Partnern auf dem Kontinent nun für einige Nervosität sorgen.

80
Prozent der Menschen in der Zentralafrikanischen Republik leben in Armut.

Womöglich müssen Russlands Partnerregierungen wie die im malischen Bamako oder in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, jetzt ihre Sicherheitsstrategien überdenken. Sie sind von Wagner-Truppen abhängig.

Pro-russische Demonstranten in Bangui.

© AFP/BARBARA DEBOUT

In der Zentralafrikanischen Republik, einem der ärmsten Länder der Welt, sind mindestens 1000 Wagner-Angehörige stationiert – ausgebildete Kämpfer genau wie „zivile“ Mitarbeiter, die etwa für Propaganda-Missionen eingesetzt werden. In der Hauptstadt Bangui gibt es einen russischen Radiosender und ein „Russisches Haus“. Das Land hat sich über die vergangenen Jahre immer mehr zu einer Art Satellitenstaat Moskaus entwickelt.

Die Zentralafrikanische Republik ist reich an Bodenschätzen. Doch die meisten Menschen leben in Armut.

© AFP/BARBARA DEBOUT

2018 hatte Präsident Faustin-Archange Touadéra Wagner-Truppen als Bodyguards ins Land geholt. Die sollten ihn vor Rebellionen schützen, ihm die Macht sichern. Touadéra ist seither voll des Lobes für seine russischen Partner. „Ich habe über die Russen nichts zu verbergen“, sagte er einmal in einem Interview.

Wagner wiederum lässt sich den Einsatz gut bezahlen. Es soll Exklusivverträge mit der Regierung in Bangui geben, die es der Privatarmee erlauben, in dem Land 25 Jahre lang Gold zu schürfen. Auch edle Hölzer exportieren die Söldner. Es ist der klassische Ausverkauf eines Landes: Während von den mehr als fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern fast die Hälfte mit Unterernährung zu kämpfen hat – 80 Prozent der Bevölkerung lebt in Armut –, schafft Wagner die Bodenschätze außer Landes.

Mali und Russland stimmen in vielen Themen überein.

Oberst Assimi Goita, Präsident von Mali

Die Söldner schrecken nicht vor roher Gewalt gegen Zivilisten zurück. So sollen sie den Angaben von „Human Rights Watch“ zufolge im Juli 2021 nahe der Stadt Bossangoa bei einem Straßen-Checkpoint 13 Menschen erschossen haben. Bei einer Wagner-Aktion gegen Rebellen im Westen des Landes sollen im Januar 2022 rund 65 Zivilisten massakriert worden sein.

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Präsident Touadéra stört sich daran offenbar nicht. Vielmehr versucht er gerade, sich mit Wagner-Hilfe eine dritte Amtszeit zu sichern. Ein entsprechendes Verfassungsreferendum ist vorbereitet. Vermutlich sollen die russischen Söldner die Abstimmung absichern.

Kunde oder Geisel?

Manche Experten sprechen jedoch davon, dass Touadéra nicht mehr ein bloßer Kunde der Wagner-Kämpfer ist, sondern eine Art Geisel. Denn die Zusammenarbeit mit ihnen dürfte er kaum lösen können, ohne sein Amt und vielleicht sogar sein Leben zu verlieren. Sollte Prigoschin als Wagner-Führer also einen neuen Wohnort suchen – in der Zentralafrikanischen Republik könnte er sich wohl ohne große Probleme niederlassen.

Auch die Putsch-Regierung in der malischen Hauptstadt Bamako ist inzwischen mehr von Wagner-Söldnern abhängig denn je. Oberst Assimi Goita, Chef der Militärjunta in Bamako, formulierte es einmal so: „Mali und Russland stimmen in vielen Themen überein.“ Im Land betreibt die Wagner-Gruppe zum Beispiel Ausbildungscamps.

Tatsächlich braucht seine Armee Hilfe im Kampf gegen Islamisten. Bislang kam die Unterstützung von den Vereinten Nationen, von internationalen Truppen, vor allem von Franzosen, aber auch von Deutschen.

Mit den westlichen Partnern hat sich Goita jedoch überworfen – die Lücke gefüllt hat Russland mithilfe von Wagner-Kämpfern. Auch hier lockt eine reiche Bezahlung. In Mali gibt es Gold, Diamanten, Kupfer, aber auch Gas und Öl.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Besuch in Mali. Der dortige Bundeswehreinsatz geht 2024 zu Ende.

© dpa/Michael Kappeler

Oberst Assimi Goita, Präsident von Mali, mit Verteidigungsminister Boris Pistorius und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD). Als verlässlicher Partner gilt Goita in Berlin nicht mehr.

© dpa/Michael Kappeler

Leidtragende der Geschäftsbeziehungen zwischen Wagner und der Junta in Bamako sind die Menschen in Mali. So haben etwa Wagner-Söldner zusammen mit einheimischen Soldaten laut „Human Rights Watch“ im März 2022 nahe der Stadt Mourrah im Kampf gegen örtliche Dschihadisten mehr als 300 Zivilistinnen und Zivilisten getötet – ein Kriegsverbrechen, das nie bestraft wurde.

„In ganz Afrika zahlen die Menschen einen hohen Preis für die ausbeuterischen Praktiken und Menschenrechtsverletzungen der Wagner-Gruppe“, sagte vergangenes Jahr die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield. Sie sprach vor dem UN-Sicherheitsrat, der sich mit der Finanzierung bewaffneter Gruppen beschäftigte. Dabei beklagte die Spitzendiplomatin die „unrechtmäßig erworbenen Einnahmen“, mit denen Moskau seine „Kriegsmaschinerie“ unter anderem in der Ukraine finanziere.

Auch im Krisenstaat Libyen sind Wagner-Angehörige aktiv, sichern dort den Zugang zu Ölquellen. Im Bürgerkriegsland Sudan steht Russland aufseiten des Milizenchefs Mohamed Hamdan Dagalo, unterstützt mit Waffen – und schürft im Gegenzug Gold.

Noch deutet nichts darauf hin, dass sich die Wagner-Aktivitäten in Afrika verändert haben, seitdem sich der Söldnerführer Prigoschin und Kremlchef Putin überworfen haben. „Die Operationen dort werden weiterhin fortgesetzt“, sagt etwa der Politikanalyst John Lechner im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Wie lange das so bleibt, hängt auch daran, wie es mit Wagner-Chef Prigoschin im belarusischen Exil weitergeht.

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