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Keine Zeit fürs Klima?: Europas Führungsspitze bleibt Baku fern – und vergibt eine große Chance
Dass Scholz, von der Leyen und Macron nicht zum Gipfel der Staats- und Regierungschefs auf der Weltklimakonferenz reisen, schadet der EU. Auch aus sicherheitspolitischen Gründen.

Stand:
Olaf Scholz hat abgesagt, Ursula von der Leyen hat keine Zeit, Emmanuel Macron wird auch nicht kommen: Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs auf der Weltklimakonferenz in Baku findet ohne Beteiligung Europas wichtigster Führungsspitzen statt. Und das ist ein Problem, vor allem für Europa selbst.
Zugegeben, Olaf Scholz hat mit den Folgen des Ampelbruchs zu tun, das EU-Parlament verhört gerade die künftigen Kommissare der Kommissionspräsidentin, und Frankreichs Präsident versucht sich an einer komplexen Regierungsbildung. Und auch Joe Biden oder Justin Trudeau aus Kanada haben abgesagt.
Nur erleben wir gerade das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und nicht nur das: 2024 hat die Welt die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens erstmals ziemlich sicher überschritten und in Spanien sind mehr als 200 Menschen durch schwerste Fluten gestorben. Ausgelöst durch Extremwetter, das durch den menschengemachten Klimawandel immer häufiger wird.
Ein Signal aus Europa im Sinne von „für Klima ist Zeit, wenn nichts Wichtigeres ansteht“, ist da schwer zu schlucken. Für die Katastrophenopfer in Spanien, und erst recht für die Bewohner der Südseeinseln, denen der Klimawandel buchstäblich den Boden unter den Füßen wegspült.
Will Europa wieder von Putins Gas oder künftig Trumps LNG abhängig sein?
Jetzt sind Italiens Giorgia Meloni und Spaniens Premier Pedro Sanchez die ranghöchsten der anreisenden europäischen Regierungschefs; für die EU verhandelt in Baku Klimakommissar Wopke Hoekstra. Letzteres ist gut so, Hoekstra hat vor einem Jahr in Dubai einen guten Job gemacht. Nur schwächt seine Chefin allein durch ihre Abwesenheit sein Verhandlungsgewicht erheblich.
Wenn die EU-Spitze in Baku durch Abwesenheit glänzt, vermittelt sie eher den Eindruck, die eigenen Ziele selbst nicht so ernst zu nehmen.
Tagesspiegel-Redakteurin Ruth Ciesinger
Dabei ist es absolut im Eigeninteresse der EU, dass Klimaschutz und nachhaltiger Umbau der Wirtschaft nicht nachlassen, sondern im Gegenteil mit noch mehr Schwung vorangetrieben werden.
Allein aus Fragen der Energiesicherheit führt für Europa kein Weg mehr zu fossilen Energieträgern zurück. Oder wollen wir wirklich wieder Gas aus Russland beziehen, weiter von Erdgas aus autoritären Regimen wie Aserbaidschan abhängen oder uns auf LNG-Lieferungen aus Donald Trumps Amerika verlassen?
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Die USA werden nach der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten jetzt international beim Klimaschutz ausfallen. Trump will zur Freude der Öl-Multis voll auf Öl und Gas setzen und die vereinbarte Abkehr von fossilen Energien missachten. Die EU könnte und müsste jetzt zeigen: Wir stehen weiter zu unserem Ziel der Klimaneutralität 2050, und wir trauen uns zu, hier entschlossen voranzugehen.
Das würde auch dem Ziel der „Wiederherstellung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit“ entsprechen, welches sich von der Leyen und die Staats- und Regierungschefs nach der Europawahl im Sommer verordnet hatten. Europa strotzt nicht vor Bodenschätzen, seine Kraft liegt – potenziell – in sauberen Zukunftstechnologien.
Und auch wenn Trump bald in den Vereinigten Staaten regiert, ist der globale Wettbewerb hier längst in vollem Gange: China, die USA und Europa reißen sich um den Aufbau einer grünen Industrie. Jedes Land versucht, neue Fabriken hochzuziehen – von Windturbinen und Batterien über Wärmepumpen und Solarmodule bis hin zu Elektroautos und Wasserstoff-Anlagen.

© Reuters/Murad Sezer
Doch wenn die EU-Spitze in Baku durch Abwesenheit glänzt, vermittelt sie eher den Eindruck, die eigenen Ziele selbst nicht so ernst zu nehmen.
Das sind verpasste Chancen – im Blick auf den eigenen Einfluss bei den Verhandlungen konkret in Baku, auf eine globale Führungsrolle und für das Vorantreiben wichtiger, bei der vergangenen Weltklimakonferenz vereinbarten Ziele wie zum Beispiel eine Verdreifachung des Ausbaus der erneuerbaren Energien.
Das gilt sowohl für Europa als Ganzes als auch für dessen größte und einflussreichste Volkswirtschaft im Besonderen. Vor drei Jahren hatte Olaf Scholz in Deutschland noch als „Klimakanzler“ Wahlkampf gemacht, jetzt sind nur noch die grünen Minister seiner Regierung bei der Weltklimakonferenz vor Ort.
Friedrich Merz wird vermutlich gar nicht erst vorhaben, sich bei den Wählenden als Klimakanzler vorzustellen. Umso besser wäre es, wenn er dafür den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Nutzen der grünen Transformation erkennt, und danach handelt.
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