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Unter Kontrolle des Kremls ab dem sechsten Lebensjahr: Schüler im russischen Dorf Verkh-Chita.

© Imago/Itar-Tass/Yevgeny Yepanchintsev

Putins Pioniere: Der Kreml nimmt jetzt Russlands Kinder ins Visier

Die russische Führung will ihre Kontrolle über die Gesellschaft auch auf die Kinder ausdehnen. Dafür wird eine Jugendorganisation wiederbelebt, die es schon zu Sowjetzeiten gab.

Der Name ist neu, aber die Ähnlichkeiten mit den Pionieren sowjetischer Zeit sind unübersehbar. Sympathien für diesen Namen hatte es in einer Online-Umfrage reichlich gegeben. Der Gründungskongress des Verbandes, der am Dienstag in Moskau zu Ende ging, legte nach längerer Diskussion aber die sperrige Bezeichnung „Bewegung der Ersten“ fest.

„An einer Analogie zu den Pionieren kommen wir nicht vorbei“, erklärte Ksenia Rasuwajewa, die Chefin der staatlichen Jugendbehörde im Vorfeld. „Es geht uns doch um eine Bewegung, die in einem positiven Sinne eine maximale Zahl von Kindern erreichen soll.“ Doch diese unverhüllte Sowjet-Nostalgie ging dem Kreml offenbar zu weit. Sprecher Dmitri Peskow erklärte kategorisch, der Name „Pioniere“ komme nicht in Frage.

Nun sollen unverzüglich in allen Schulen des Riesenlandes Basisgruppen gebildet und Leitungsstrukturen etabliert werden. Der Kreml will in die immer intensiver werdende Kontrolle über die russische Bevölkerung künftig auch Kinder ab dem sechsten Lebensjahr einbeziehen.

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Duma-Abgeordnete hatten den Gesetzentwurf für die Gründung einer „allrussischen Jugendbewegung“ am 19. Mai ins Parlament eingebracht. Das Datum wurde bewusst gewählt: Dies war in sowjetischer Zeit der Tag der „Lenin-Pioniere“.

Genau 100 Jahre zuvor war diese Organisation, die schon die Jüngsten für die Ziele der Kommunistischen Partei sozialisierte, gegründet worden. Ihre Initiatorin Nadeshda Krupskaja, die Ehefrau von Revolutionsführer Lenin, hatte seinerzeit klare Vorstellungen: Effektiv organisiert wie die Pfadfinder, aber mit kommunistischem Inhalt, so sollten die Pioniere sein.

Putin selbst führt die Aufsicht

Das Gesetz für die faktische Nachfolgeorganisation verabschiedete die Duma im Juli. Es bestimmt die Vermittlung traditioneller Werte und Familienbilder sowie die Liebe zum Vaterland als Ziele der Organisation.

Eine Schlüsselrolle in der Bewegung kommt dem Präsidenten Wladimir Putin zu. Er fungiert als eine Art Aufsichtsratsvorsitzender. Putin war der Veranstaltung per Video für eine Grußbotschaft zugeschaltet – ein weiteres Zeichen dafür, wie wichtig das Projekt dem Kreml ist.

Der Präsident ging auf den von ihm befohlenen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht ein. Er erklärte den Schülern jedoch, dass sich auf der Welt gegenwärtig tiefgreifende Veränderungen vollziehen. Und nach seiner, Putins, Überzeugung führten die am Ende zu einer besseren Welt.

An einer Analogie zu den Pionieren kommen wir nicht vorbei. Es geht uns doch um eine Bewegung, die in einem positiven Sinne eine maximale Zahl von Kinder erreichen soll.

Ksenia Rasuwajewa, Chefin der staatlichen Jugendbehörde

Michail Wonogradow, der Chef der Stiftung „Petersburger Politik“, sieht in der neuen Kinderorganisation den Wunsch eines Teils der russischen Elite, sowjetische Praktiken, die sich im „kollektiven Unterbewusstsein fest verankert haben“, wiederzubeleben.

Die Neugründung, so zitiert ihn das Online-Portal „Kommersant“, knüpfe an das Stereotyp an, „dass etwas mit der heutigen Jugend nicht stimmt, dass früher alles viel besser war, als die Kinder nicht vor Computerspielen saßen, sondern Schrott und Altpapier sammelten, als sie gehorsamer und moralisch gefestigter waren“.

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