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Die rechtspopulistische Partei Vox, hier ihr Vorsitzender Santiago Abasca, könnte der konservativen Partido Popular zu einer Regierungsmehrheit verhelfen.

© Reuters/Marcelo del Pozo

Bald könnten Rechtspopulisten mitregieren : Steht Spanien vor einem Richtungswechsel?

Bei der Parlamentswahl am Sonntag gilt eine Niederlage von Premier Sánchez als wahrscheinlich. Der Sozialdemokrat warnt vor einem Bündnis mit den Rechten. Bisher ohne Erfolg.

Von Juan F. Álvarez Moreno

Am Sonntag entscheiden die Bürger, ob sie am Montag im Jahr 2023 oder in der Vergangenheit aufwachen“, sagt Pedro Sánchez und schaut dabei in die Fernsehkamera. Am vergangenen Mittwochabend debattierte Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident mit den Spitzenkandidaten von Linken und Rechtspopulisten.

Nicht mit dabei: der konservative Alberto Núñez Feijóo. „Er schämt sich, neben Señor Abascal aufzutreten“, giftet Sánchez gegen seinen stärksten Widersacher und zeigt auf den Kandidaten der Rechtspopulisten. Denn der konservative Herausforderer wird nach der Wahl wahrscheinlich auf die Stimmen der Rechtspopulisten angewiesen sein. Fernsehauftritte mit der Vox-Partei passen ihm deswegen nicht ins Konzept.

Spanien erlebt seit Monaten einen Dauerwahlkampf. Nachdem die Sozialdemokraten Ende Mai die Regional- und Kommunalwahlen verloren hatten, rief Sánchez vorgezogene Parlamentswahlen aus. Derzeit führt die PP in Umfragen klar mit etwa 34 Prozent, Sanchez’ Sozialdemokraten liegen bei 28 Prozent. Den dritten Platz teilen sich die linke Partei Sumar und die rechtspopulistische Vox mit jeweils 13 Prozent.

„Die Konservativen sind sehr erfolgreich damit gewesen, eine Art Wählerbündnis gegen Sánchez zu schmieden”, sagt Ignacio Jurado, Politikprofessor an der Madrider Universität Carlos III, dem Tagesspiegel. Die Mehrheit der Wähler sei zwar für die Wirtschaft- und Sozialpolitik der aktuellen Regierung, doch das negative Image von Ministerpräsident Sánchez koste die Sozialdemokraten Wähler.

60
Prozent beträgt laut der spanischen Tageszeitung „El País“ die Wahrscheinlichkeit für eine rechte Mehrheit

Sánchez gilt vielen Spaniern als arrogant und unberechenbar. Auch seine Bündnisse mit nationalistischen Parteien aus Katalonien und dem Baskenland hätten ihn unpopulär gemacht, sagt Politologe Jurado. „Die PP hat die Wählerschaft rechts der Mitte hinter sich geeinigt und viele Stimmen aus der Mitte geholt, wo früher die Sozialdemokraten führten.”

Die potenziellen Wähler der PP stören sich nicht an einer Regierung mit Vox.

Ignacio Jurado, Politikprofessor an der Madrider Universität Carlos III

Der als moderat geltende PP-Kandidat Feijóo habe nach einem ersten erfolgreichen TV-Duell gegen Sánchez auf Nummer sicher gehen wollen, so Jurado. Seine Kampagne sei zurückhaltend gewesen. Nicht ins gemäßigte Bild fügt sich allerdings sein Bündnis mit Spaniens Rechten: Mitten im Wahlkampf paktierte die PP in mehreren Regionen mit Vox. Mal ließ sie sich von den Rechtspopulisten unterstützen, mal ging sie sogar Koalitionen ein.

Regierungschef Sanchez hat an Beliebtheit deutlich verloren.
Regierungschef Sanchez hat an Beliebtheit deutlich verloren.

© REUTERS/VIOLETA SANTOS MOURA

Darauf weist Sozialdemokrat Sánchez bei jeder sich bietenden Gelegenheit hin und warnt vor Rückschritten bei Themen wie dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen, dem Kampf gegen den Klimawandel oder den Rechten von Minderheiten wie queeren Menschen, sollten Vox-Minister künftig am Kabinettstisch sitzen.

Allerdings mit überschaubarem Erfolg: „Die potenziellen Wähler der PP stören sich nicht an einer Regierung mit Vox“, sagt Politikprofessor Jurado. Und auch linke Wähler habe Sánchez damit nicht mobilisieren können.

„Eine Blockade wäre möglich“

Wichtig sei zudem, wer in den Wahlkreisen den dritten Platz belegt – die linke Sumar oder die Rechtspopulisten. Davon hänge ab, ob das linke oder rechte Lager entscheidende Mandate gewinnt, sagt Jurado. Die jetzige linke Koalition bräuchte nach der Wahl die Unterstützung von vielen kleinen Parteien.

Der Chef der konservativen Partido Popular, Alberto Nunez Feijoo, könnte Spaniens nächster Ministerpräsident werden.
Der Chef der konservativen Partido Popular, Alberto Nunez Feijoo, könnte Spaniens nächster Ministerpräsident werden.

© AFP/THOMAS COEX

Es stehe auch gar nicht fest, ob alle mitmachen würden, sagt der Politologe. Jurado schließt nicht aus, dass am Ende kein Lager eine absolute Mehrheit im Parlament erreicht. „Eine Blockade wäre möglich.”

Es wäre nicht das erste Mal. Schon im Dezember 2015 fand sich nach der Wahl keine Regierungsmehrheit. Sechs Monate später mussten die Spanier erneut an die Urnen gehen. Auch 2019 musste die Abstimmung über ein neues Parlament wiederholt werden

Diesmal sei aber eine Mehrheit der PP mit Vox das wahrscheinlichste Szenario, betont der Politikprofessor. Entschieden sei aber noch nicht, ob Vox dann Teil einer Regierungskoalition werden oder die Rechten eine Minderheitsregierung der Konservativen tolerieren würden, so Jurado. Feijóo selbst favorisiert nach eigenen Angaben die zweite Option.

Jurado glaubt aber, dass Vox im Falle einer konservativen-rechten Mehrheit die PP zu einer echten gemeinsamen Koalition zwingen könnte. Feijóo würde sich kaum querstellen können, wenn er Ministerpräsident werden möchte und die Stimmen der Rechten im Parlament braucht. „Die wichtigste Frage nach der Wahl wird folgende sein: Welchen Preis verlangt Vox dafür?

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