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In fester Hand: Daniel Ortega und Rosario Murillo übernahmen 2022 erneut eine Amtszeit in Nicaragua.

© picture alliance/dpa/XinHua/Xin Yuewei

Vizepräsidentin Rosario Murillo: Die (stille) Despotin Nicaraguas

Präsident Daniel Ortega hat den nicaraguanischen Staat in den vergangenen Jahren zu einer Diktatur umgebaut. Die treibende Kraft im Land ist aber längst jemand anders.

Als Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega im Februar vor die Kameras tritt und verkündet, 222 politisch Gefangene wegen Vaterlandsverrat auszuweisen, fällt ihr Name nur in einem Nebensatz. Es sei ihre Idee gewesen, sagt Ortega damals. Sie sei es gewesen, die mit den USA verhandelt hat, dass diese die Ausgewiesenen aufnimmt. Sie sitzt an diesem Tag stillschweigend neben ihm, überlässt die Bühne ihrem Ehemann.

Dabei sind sich Beobachter einig: Rosario Murillo ist die eigentliche Despotin in Nicaraguas Diktatur, teils skrupelloser als Ortega selbst.

Von der Freiheitskämpferin zur Tyrannin

Geboren in der Hauptstadt Maragua wuchs Murillo in einer Familie von Großgrundbesitzern auf. Ähnlich wie Ortega war sie anfangs noch linke Freiheitskämpferin. In den Siebzigerjahren wurde sie mit ihren Gedichten gegen die Militärdiktatur von Anastasio Somoza bekannt.

1977 flüchtete sie ins Exil nach Costa Rica. Dort lernte sie Ortega kennen, die beiden wurden ein Paar. Murillo war ambitioniert, nachdem die Somoza-Diktatur 1979 zu Ende ging, stieg sie politisch langsam auf. Für den Durchbruch ihrer Karriere opferte sie 1998 sogar ihre eigene Tochter.

Diese beschuldigte ihren Stiefvater Ortega damals, sie als Teenager jahrelang vergewaltigt zu haben. Murillo verstieß ihre Tochter und stellte sich hinter ihren Mann. Der war zu dem Zeitpunkt bereits die wichtigste politische Figur Nicaraguas: Als Anführer der linken, sandinistischen Revolution hatte er Somozas Diktatur gestürzt, anschließend wurde er Präsident des mittelamerikanischen Landes. Erstmals 1985, dann erneut 2007. Diese Amtszeit dauert bis heute an.

Murillo wurde zu seiner rechten Hand – und 2016 offiziell Vizepräsidentin. Ihr Erscheinungsbild ist schrill. Mit knallrotem Lippenstift und überladendem Schmuck hält sie esoterische, fanatische Diskurse. Die nicaraguanische Bevölkerung nennt sie „la bruja“ – die Hexe. Offiziell kümmert sich Murillo kaum um politische Entscheidungen. Im Staatsmedium „Canal 4“ etwa richtet sie sich täglich an die Bevölkerung und monologisiert über Liebe und Religion.

Besonders seit der 77-jährige Ortega gesundheitlich angeschlagen ist, gibt seine sechs Jahre jüngere Frau den Kurs vor. Als 2018 Studenten gegen die Regierung aufbegehrten, gab sie der Polizei die Anweisung: „Vamos con todo“. Auf Deutsch so viel wie: Lasst uns alles geben. Mehr als 350 Demonstranten kamen in den Auseinandersetzungen ums Leben.

Seit Anfang der 2000er bauen Ortega und Murillo den nicaraguanischen Staat um. Regierung, Verwaltung, Justiz, die Wahlbehörden, fast alle Medien und die regierende Partei Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) werden von der Präsidentenfamilie kontrolliert. Ehemalige Genossen vergleichen die Regierung längst mit der Somoza-Diktatur, die sie 1979 gemeinsam stürzten. 

Jüngst wurde das Regime noch brutaler. Der UN-Menschenrechtsrat erhebt schwere Vorwürfe, etwa wegen Folter und Mord. Regimekritiker werden ausgebürgert, rund 4000 NGO sind verboten. In den vergangenen Tagen schloss die Regierung außerdem das Rote Kreuz und die regimekritische katholische Universität in Managua. Vermutlich kamen auch diese Befehle von Murillo.

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