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Ein Wahllokal in Russland.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Yevgeny Yepanchintsev

Update

Proteste gegen Putins „Pseudowahlen“: Russische Polizei nimmt Dutzende Kreml-Gegner fest

Bei der Wahl will sich Präsident Putin durch Druck und den Ausschluss der Opposition eine weitere Amtszeit bestätigen lassen. Die Abstimmung läuft noch bis 19 Uhr. Es gab Protestaktionen – und Festnahmen.

Bei kremlkritischen Protestaktionen sind am letzten Tag der viel kritisierten Präsidentenwahl in Russland Bürgerrechtlern zufolge Dutzende Menschen festgenommen worden. Insgesamt zählte die Organisation Ovd-Info bisher mindestens 74 Festnahmen, die meisten im zentralrussischen Kasan und in der Hauptstadt Moskau.

Auch Menschen in Moskau und St. Petersburg waren betroffen. Viele von ihnen wollten sich demnach um exakt 12.00 Uhr Ortszeit vor ihren Wahllokalen in langen Schlangen anstellen, um so ihren Unmut über die vom Machtapparat geplante und von der Opposition als undemokratisch eingestufte Wiederwahl von Kremlchef Wladimir Putin zu zeigen.

Zu dieser Aktion unter dem Motto „Mittag gegen Putin“ hatten Oppositionelle aufgerufen, darunter das Team des kürzlich im Straflager ums Leben gekommenen Kremlgegners Alexej Nawalny. Die Behörden hatten vor einer Teilnahme an der Aktion gewarnt, in der sie „Anzeichen extremistischer Aktivitäten“ erkennen. 

Festnahmen gab es den Bürgerrechtlern zufolge auch abseits der Proteste. Eine Aktivistin in St. Petersburg wurde demnach direkt beim Verlassen ihres Hauses von Sicherheitskräften aufgegriffen. Manche Menschen wurden nach einiger Zeit wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen. 

Außenministerium spricht von „Pseudowahlen“

Die Bundesregierung hat die Abstimmung über Russlands künftigen Präsidenten als „Pseudowahlen“ kritisiert. „Die Pseudowahlen in Russland sind weder frei noch fair, das Ergebnis überrascht niemanden“, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin am Sonntag im Onlinedienst X.

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Der langjährige Kreml-Chef Wladimir Putin herrsche „autoritär, er setzt auf Zensur, Repression und Gewalt“. Das Auswärtige Amt kritisierte zudem, dass die Präsidentschaftswahl auch in russisch besetzten Gebieten in der Ukraine abgehalten werde. „Die ‚Wahlen’ in den besetzten Gebieten der Ukraine sind null und nichtig und ein weiterer Bruch des Völkerrechts“, hieß es in der Erklärung.

Störversuche bei der Wahl

Bei der von Freitag bis Sonntag angesetzten Präsidentenwahl in Russland ist es nach Behördenangaben zu mehreren Protestaktionen und Störversuchen gekommen. In 20 Fällen hätten Personen Flüssigkeiten in Wahlurnen geschüttet, um die Stimmzettel unbrauchbar zu machen, teilte die Kommissionsvorsitzende Ella Pamfilowa am Samstag mit. Mehr als 210 Wahlzettel seien dadurch zerstört worden.

Außerdem habe es in Wahllokalen acht Brandstiftungsversuche gegeben.

Die Behördenleiterin beschimpfte die Verantwortlichen als „Drecksäcke“ und drohte ihnen mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren. Hinter den Störversuchen stünden ukrainische Geheimdienste sowie Drahtzieher in westlichen Staaten, erklärte Pamfilowa, ohne ihre Behauptungen zu belegen. Der Vizechef des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, sprach von „Verrätern“, die Russlands „abartigen“ Feinden Hilfe leisteten.

Präsident Wladimir Putin will sich mit der Abstimmung für weitere sechs Jahre im Amt bestätigen lassen. Die Wahl gilt als weder frei noch fair. Die Opposition ist ausgeschlossen, die drei zugelassenen Gegenkandidaten gelten als kremltreu. Zustimmungswerte von mehr als 80 Prozent für Putin erscheinen zwar realistisch. Dennoch stehen Behörden unter Druck, möglichst gute Ergebnisse zu seinen Gunsten zu melden.

Kritische Russen sollen Droh-Textnachrichten erhalten haben

Vor einer geplanten Protestaktion haben kritisch eingestellte Menschen Medienberichten zufolge Warnungen auf ihre Handys geschickt bekommen. Unter anderem das unabhängige Portal „Meduza“ veröffentlichte am Samstag Screenshots von Nachrichten, die demnach Leser aus Moskau geschickt bekamen.

Darin heißt es: „Unabhängig davon, dass du Ideen extremistischer Organisationen unterstützt, freuen wir uns, dass du in Moskau wählen wirst.“ Dann folgt eine Aufforderung, „ruhig“ an der Wahl teilzunehmen – „ohne Warteschlangen und Provokationen“. Wer hinter den Nachrichten, die auf Telegram und Signal verschickt wurden, steckt und wie die Empfänger ausgewählt wurden, war zunächst nicht bekannt.

Beobachter vermuten Betrug und Zwang

Die Stimmbeteiligung ist für den Kreml ein wichtiger Wert, damit Präsident Wladimir Putin am Ende zeigen kann, dass angeblich ein Großteil der Bevölkerung ihn und seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine aktiv unterstützt. Unabhängige Beobachter weisen jedoch auf systematischen Betrug hin. So werden etwa Angestellte von Staatsbetrieben Berichten zufolge in großer Zahl zum Urnengang gedrängt. 

Russland gab die Wahlbeteiligung bereits am zweiten von drei Abstimmungstagen mit mehr als 50 Prozent an. Um 16 Uhr Moskauer Zeit (14 Uhr MEZ) am Samstag habe schon mehr als jeder zweite Wahlberechtigte seine Stimme entweder in einem Wahllokal oder online abgegeben, sagte der Vizechef der russischen Wahlkommission, Nikolai Bulajew, der Agentur Interfax zufolge.

Manipulationen am Ergebnis befürchtet die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation Golos vor allem bei der Online-Abstimmung und bei den Wahlautomaten. Aus Krasnodar im Süden Russlands wurde am Samstag aber auch eine klassische Methode der Wahlfälschung gemeldet: Ein Mitglied einer Wahlkommission warf zahlreiche ausgefüllte Stimmzettel in die Urne ein. 

International wird an der Präsidentschaftswahl besonders kritisiert, dass sie auch in den besetzten ukrainischen Gebieten abgehalten wird. Russland hat diese Gebiete völkerrechtswidrig annektiert. Im ostukrainischen Gebiet Donezk behauptete die Wahlbehörde, dass die Beteiligung bis Samstagabend bereits bei 86,75 Prozent gelegen habe. (Reuters, dpa, AFP)

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