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Jürgen Dusel (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen)

© Behindertenbeauftragter/Henning Schacht

Jürgen Dusel über die SO World Games: Sprache prägt unser Denken

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen freut sich auf die Weltspiele in Berlin – und möchte einen politischen Diskurs anstoßen.

Von Jürgen Dusel

Jetzt sind es nur noch wenige Tage bis die Special Olympics World Games in Berlin starten. Ich kann es kaum noch abwarten bis die Athlet*innen mit der „Flame of Hope“, die bereits am 7. Juni in Athen entzündet wurde, bei der Eröffnungsfeier der Special Olympics World Games Berlin 2023 im Olympiastadion feierlich eintreffen werden. Das wird ein großes Fest, das kann ich Ihnen versprechen.

Ich durfte bereits vor vier Jahren bei den letzten Weltspielen in Abu Dhabi dabei sein. Als sich das Stadion mit Menschen aus aller Welt füllte, das war ein absoluter Gänsehaut-Moment für mich.

Das Besondere an den Special Olympics World Games ist nicht nur, dass es das größte Multi-Sportevent in Deutschland seit den Olympischen Spielen 1972 ist. Das Besondere ist aus meiner Sicht vor allem, dass die Athlet*innen der Special Olympics Werte wie Solidarität, Empathie, Rücksichtnahme und Fairness verkörpern, wie ich es noch bei keiner anderen Sportveranstaltung erlebt habe.

Wichtig ist, dass die Weltspiele in Berlin eine nachhaltige Wirkung auf eine verbesserte Teilhabe für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen in Deutschland haben werden.

Jürgen Dusel

Natürlich geht´s auch ums Gewinnen und um Medaillen, aber es geht den Athlet*innen in erster Linie wirklich um das „Dabeisein“. Und zwar nicht nur bei den Sportwettkämpfen, sondern in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Darauf haben sie ein verbrieftes Recht, spätestens seitdem Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert hat, aber die Realität sieht leider manchmal noch anders aus.

Wichtig ist, dass die Weltspiele in Berlin eine nachhaltige Wirkung auf eine verbesserte Teilhabe für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen in Deutschland haben werden. Mein Team und ich haben den Fokus unserer Arbeit deshalb in diesem Jahr auf diese Personengruppe gelegt und bereits einige Fachveranstaltungen zu den Themen „Arbeit, Bildung, Gesundheit und Digitalisierung“ organisiert. Ziel ist es, der Bundesregierung bis Ende des Jahres Teilhabe-Empfehlungen zu überreichen. Ganz entscheidend ist, dass wir nicht nur über die Menschen, sondern vor allem mit den Menschen sprechen.

Nicht erst seit, aber besonders in diesem Jahr stelle ich mir die Frage, welche Wirkung die Bezeichnung „geistige“ Behinderung auf Menschen hat. Deshalb habe ich zu Beginn des Jahres mit Fachleuten aus den Bereichen der Rechts- und Sozial- und Sprachwissenschaften sowie der Pädagogik und Medizin, vor allem aber mit Expert*innen in eigener Sache, ein Fachgespräch darüber geführt, ob die seit den sechziger Jahren verwendete Bezeichnung noch zeitgemäß ist oder ob es eine bessere Bezeichnung braucht.

Die Auffassung der Expert*innen in eigener Sache, die den Begriff mehrheitlich als abwertend und stigmatisierend beschreiben, wurde von fachlicher Seite untermauert. Das nehme ich sehr ernst, denn Sprache prägt unser Denken und schafft Realitäten.

Das Gespräch hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Ich betrachte es als Auftakt für einen politischen Diskurs. Denn eines ist klar: Ein Begriff, der von einem Großteil der so bezeichneten Menschen als diskriminierend empfunden wird, sollte nicht im Gesetz stehen, sondern durch einen besseren Begriff ersetzt werden. Ich selbst verwende deshalb den Begriff „Menschen mit Lernbeeinträchtigungen“. Aber wie gesagt, wir sind noch im partizipativen Findungsprozess.

Jetzt freue ich mich erst einmal auf dieses großartige Sportereignis und kann nur allen empfehlen hinzugehen und sich selbst von dieser besonderen Stimmung zu überzeugen.

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