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Starkregenfall in Dhaka, Juni 2023. Bangladesch gehört zu den Ländern, welche am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.

© REUTERS/MOHAMMAD PONIR HOSSAIN

Klima retten, aber fair: Wie schaffen wir Gerechtigkeit?

Die Folgen des Klimawandels tragen nicht alle gleichermaßen – Forschende diskutierten auf dem Akademientag, wie sich die Last sozial und global gerechter verteilen ließe.

Von Elias Reuter

Starkregen, Waldbrände und Wirbelstürme – auf der ganzen Welt nimmt die Zahl der Extremwetterereignisse durch den Klimawandel zu. Ein Beispiel aus Deutschland ist die Flutkatastrophe im Ahrtal von 2021. Doch Ereignisse wie diese sind hierzulande eher die Ausnahme.

Die Länder des globalen Südens tragen erheblich größeren Schaden davon als die Industriestaaten, wie der Klima-Risiko-Index der NGO Germanwatch zeigt. Eine enorme Ungerechtigkeit, wenn man bedenkt, dass es gerade die wirtschaftsstarken Nationen sind, die für einen Großteil der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.

Nicht alle sind gleichermaßen betroffen

„Das Thema Klimagerechtigkeit ist das Gerechtigkeitsproblem par excellence“, meinte Brigitte Knopf, Klimatologin vom Expertenrat für Klimafragen (ERK) und Gast auf dem bundesweiten Akademientag, der vor kurzem in Berlin stattfand. Auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Globale Gerechtigkeit in Klimafragen“ in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften tauschte sie sich mit zwei weiteren Forschenden aus. Zu Recht forderten Länder, die unter den Klimaschäden stark zu leiden haben, heute Gerechtigkeit ein, sagte Knopf. Das sei inzwischen politische Tagesordnung.

Das Thema Klimagerechtigkeit ist das Gerechtigkeitsproblem par excellence.

Brigitte Knopf, Klimatologin vom Expertenrat für Klimafragen

Doch nicht nur auf geografischer Ebene zeichnet sich das Ungleichgewicht ab, sondern auch auf zeitlicher. Künftige Generationen werden mehr mit den Klimafolgen zu kämpfen haben als ihre heutigen Verursacher. Staaten investierten in riesige Konzerne, die fossile Brennstoffe fördern, während wir eigentlich in erneuerbare Energien investieren sollten, meinte Mojib Latif, Klimaforscher und Präsident der Hamburger Akademie der Wissenschaften. Es fehle weder die Technologie noch das Geld. „Wir haben kein Energieproblem auf der Erde“, sagte Latif. Das Problem sei die „Subventionierung von Umweltzerstörung“.

Fairness ist eine Frage der Perspektive

Sorgt der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern also für mehr Gerechtigkeit? Für manche ist das ein Widerspruch: Man denke nur an all die Berufstätigen, die beispielsweise durch den Braunkohleausstieg ihren Arbeitsplatz verlieren würden, gab Knopf zu bedenken.

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Prozent aller CO₂-Emissionen stammen aus der Verbrennung fossiler Energieträger

Ein komplexes Beispiel führte Axel Ockenfels auf, Verhaltensforscher und Professor für Ökonomie an der Uni Köln: Die staatliche Förderung für private Photovoltaikanlagen und Elektroautos stelle zwar einen Schritt in Richtung flächendeckender erneuerbarer Energien dar. Doch finanziert hätten dies die Steuerzahlenden aller Einkommensschichten. Profitiert hätten aber nur diejenigen, welche ein Eigenheim oder genug Geld für ein Elektroauto besäßen – sprich: die Wohlhabenden. Auch ein einheitlicher CO₂-Preis träfe die Besserverdienenden weniger, da alle dasselbe zahlen würden.

Die Frage nach der Gerechtigkeit ist in Klimafragen oft schwer zu definieren. Für Ockenfels ist sie jedoch hauptsächlich ein „Kooperationsproblem“. Auf internationaler Ebene sei es außerordentlich schwer, gemeinsame Regeln für alle einzuführen, zumal einzelne Nationen so gut wie nie zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz würden. Kein Land habe Lust, auf der Strecke zu bleiben. Denn Wirtschaftswachstum basiere auf Emissionen, führte Knopf auf.

Auf den persönlichen ökologischen Fußabdruck käme es im Übrigen nicht an, sagte Ockenfels. Ein Deutschlandticket für die Bahn reiche nicht aus, man müsse auch den Individualverkehr verteuern. Dass andere Länder nach einem ähnlichen Lebensstandard wie in den Industriestaaten streben, sei nachvollziehbar. Es sei nicht ausreichend, diesen Ländern Schadensersatz für Klimafolgen zu zahlen. Industriestaaten müssten vor Ort die Entwicklung erneuerbarer Energien fördern, um so die Weichen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu stellen.

Der steinige Weg zu globaler Gerechtigkeit

Brauchen wir heute also eine neue Definition von Gerechtigkeit? Nein, sagt Christoph Markschies, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Unter Gerechtigkeit verstünde man überall auf der Welt eigentlich dasselbe. Für uns als Weltgemeinschaft, so der Gastgeber des Akademientages, wird es in Zukunft von viel größerer Bedeutung sein, dieses Verständnis in allen Bereichen gleichermaßen zur Geltung zu bringen.

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