zum Hauptinhalt

Aktfotograf Günter Rössler: Lichtspiele mit Leibern

Die Schönheit der Arbeiterinnen: ein Dokumentarfilm über den DDR-Aktfotografen Günter Rössler.

Was ist das für ein Beruf! Unbekleidete Frauen anschauen dürfen, jeden Millimeter ihres Körpers vermessen, ihn in jede Haltung bringen, die man möchte, und ja, diese vollkommenen Leiber folgen dem leisesten Wink: Und jetzt den Mund leicht öffnen, nein nicht so wie heute, nicht wie beim Zahnarzt, und die Augen leicht verschatten, aber nicht einschlafen, ja, so könnte das gehen. Dann nur noch das Geräusch des Auslösers. Und nun? Nun nahmen die Frauen ihr Geld und vergaßen, was sie getan haben.

Aber so war es nie. Für ein Aktfoto gab es 12 Mark in der DDR, für ein Titelbild in der Modezeitschrift „Sibylle“ 35. Und möglicherweise gingen Günter Rösslers Modelle danach nicht in die Bar oder nach Hause, sondern zur Arbeit. Vor allem aber: Wer von ihm fotografiert wurde, vergaß das nie.

Günter Rössler war der Aktfotograf der DDR. So sprechen die Frauen, die vor Jahrzehnten vor seiner Kamera standen, in diesem schönen Film („Die Genialität des Augenblicks“) von Fred R. Willitzkat über ihren Fotografen, als ob es nichts Selbstverständlicheres gebe. Da war nie etwas wie Scham. Er hat ihnen nichts genommen, er hat ihnen etwas gegeben. Manchen von ihnen sogar sich selbst, den entscheidenden Anstoß, aus dem eigenen Leben etwas zu machen, eben kein Modell-Dasein, aber vielleicht das Abitur. Der Fotograf und seine Frauen. Es ist eine Nähebeziehung, noch immer.

Mit Uta Kolano hat Günter Rössler vor Jahren seine Biografie geschrieben und sie „Mein Leben in vielen Akten“ genannt. Rössler wurde 1926 in Leipzig geboren. Zu seinem Beruf fand er vielleicht schon, als sein Vater ihm den ersten Fotoapparat schenkte. Rösslers Frauen, sagt Kolano, „waren nie Objekte, die sich nur durch das Schönsein definierten, oder Schönheiten, die allein mit ihrem Äußeren Geld verdienen wollten. Rösslers Frauen standen mitten im Leben.“ Aber auf seinen Bildern sieht man das nicht.

Rössler hat nicht etwa den „Bitterfelder Weg“ der Aktfotografie erfunden, im Gegenteil. Seine Bilder sind Suspendierungen vom Alltag, Zeit-Stillstände, Lichtspiele mit den Leibern, erotisch durchaus, aber wie zurückgenommen in die Natur. Es gelang Rössler, die Frau von der Frau her zu sehen, so als gehöre ihr noch ihre erotische Wirkung. Der „Playboy“ sieht die nackten weiblichen Tatsachen gewöhnlich etwas anders, wollte sich aber dennoch von Rössler 1984 „Mädchen in der DDR“ zeigen lassen.

Auch für den Fotografen kam 1990 der große Bruch: „Günter, wir brauchen dich nicht mehr.“ Ein Satz nur, mit immer anderen Vornamen vielleicht der meistgesprochene damals. So endete die jahrzehntelange Arbeit für seine Redaktion, die „Modischen Maschen“. Er machte trotzdem weiter. Auch das gehört wohl zum wahren Künstler, dieses Immer-weiter-Machen. Kerstin Decker

Babylon Mitte, Krokodil, Tilsiter-Lichtspiele

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false