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Elektromusikerin Lucrecia Dalt. 

© Aina Climent

Alienvamp des Elektropop : Lucrecia Dalt in der Berliner Volksbühne

Lucrecia Dalt präsentiert ihr Album „Ay!“. Es dreht sich um ihre Jugend in Kolumbien, wobei sie Rhythmen wie Salsa und Merengue modernisiert.

Tanzend schwebt Lucrecia Dalt auf die große Bühne der Volksbühne in Mitte. Enge Lederhose, High Heels, bauchfreies Top: Sie sieht aus wie ein Vamp, wie ein mysteriöses, schwer durchschaubares Wesen. Und das will sie ja auch darstellen.

Sie ist jetzt Preta, eine Außerirdische, die sich nun erstmalig genauer mit dem Leben auf der Erde beschäftigt hat. Von deren Erfahrungen auf unserem Planeten handelt auch Dalts neue Platte “Ay!”, die an diesem Abend in Berlin präsentiert wird, einem Sci-Fi-Konzeptalbum, das wirklich so klingt, als hätte ein Alien es ersponnen.

Die 42-jährige Dalt, die in Kolumbien geboren wurde und seit fast zehn Jahren in Berlin lebt, hat in den letzten Jahren einen kometenhaften Aufstieg als avantgardistische Elektronikmusikerin hingelegt. Je abstrakter, sperriger und herausfordernder ihre Klangtexturen wurden, desto erfolgreicher wurde sie erstaunlicherweise.

Zuletzt hat sie ein Album mit Aaron Dilloway eingespielt

Zuletzt hat sie Platten gemeinsam mit dem US-amerikanischen Noise-Musiker Aaron Dilloway veröffentlicht, die ziemlich verstörend klangen und trotzdem trudelten immer mehr Aufträge für nicht bloß nischige Film- und Seriensoundtracks bei ihr ein.

Und nun legt sie noch einmal eine Schippe drauf. Sie singt jetzt auch noch, meistens auf Spanisch. Schafft dabei aber das Kunststück, nicht etwa poppiger zu klingen als bislang, sondern eher noch eigentümlicher. Bei ihrem Konzert in der Volksbühne wird ihre Stimme in jeder nur erdenklicher Weise verfremdet und sie gleitet nicht über die Klangstrukturen, wie das im Popsongformat üblich ist, sondern reibt sich ständig an diesen.

Außerdem scheint Dalt einfach Spaß daran zu haben, mit Hilfe von Technik den Klang der menschlichen Stimme zu transformieren, wie es ihr gefällt. An einer Stelle klingt sie gar aus dem Stegreif und ohne sichtbare Mühe wie eine Opernsängerin. Ihr scheint dafür eine Software zur Verfügung zu stehen, die “Maria Callas” oder “Anna Netrebko” heißt.

Dalt, die die meiste Zeit des Auftritts hinter ihren Keyboards und einem Laptop steht, ist aber nicht der einzige Fixpunkt an diesem Abend. Sie hat noch den Perkussionisten Alex Lázaro mitgebracht, der auch beim Entstehungsprozess ihres neuen Albums eine wichtige Rolle spielte. Lázaros Spiel auf Congas und Bongos bereichert den sowieso schon dichten Sound Dalts mit Andeutungen lateinamerikanischer Musik, mit Anflügen von Merengue oder Cumbia. Also mit Rhythmen aus ihrer Heimat, von denen Dalt immer sagt, sie begleiteten sie eigentlich ständig, auch im eher hüftsteifen Berlin.

Dalts Elektronik und Gesang bilden im Zusammenspiel mit Lázaros analogem Getrommel einen Klangteppich, der durch immer wieder eingespieltes Kontrabassgezupfe und Bläsergetröte noch bunter wird und teilweise fast grell in psychedelischen Farben leuchtet.

Wenn dann noch ordentlich Hall als Klangeffekt hinzu kommt und streckenweise irgendetwas zwischen Dub und Industrial entsteht, wird aus dem Auftritt ein rauschhaftes Erlebnis. Ein Trommler und eine Außerirdische nehmen einen so mit auf eine Reise, die man als ganz normaler Mensch erst einmal verarbeiten muss.

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