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Die Nofretete gilt als schönste Frau der Welt.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Alle Jahre wieder (Folge 5): Stolze Sonnenkönigin

Nie ist das Immergleiche so wertvoll wie am Jahresende. Unsere Serie stellt einige Festtagsrituale vor, diesmal den Besuch einer Neu-Berlinerin bei Nofretete.

In einem anderen Kontext schrieb ich an dieser Stelle bereits über die neuen Wege und Rituale, die es nach einem Umzug in eine andere Stadt zu erschließen gilt. Spätestens zwischen den Jahren, diesem diffus-grauen Transitbereich, der überall und nirgends hinführen kann, wird das Unbekannte der neuen Heimat besonders sichtbar. In diesem ungewissen Schwebezustand suchen Kopf und Füße automatisch nach vertrauten Pfaden, bemühen sich um Kongruenz in der Andersartigkeit.

In den vergangenen Jahren gewöhnte ich mir in der alten Heimat Frankfurt am Main an, kurz vor Jahresende ausgiebig durch das mir sehr lieb gewonnene Städel Museum zu flanieren. Ist es dort sonst meist brechend voll, hat man unmittelbar nach der Völlerei der Festtage gute Karten, 700 Jahre Kunstgeschichte weitestgehend allein genießen zu dürfen. Und so tragen mich heute meine Beine zielsicher zur Museumsinsel, überqueren die Spree auf kleinen, geschwungenen Brücken und lassen mich erst vor den Türen des Neuen Museums stehen bleiben.

Nofretete, die erste Freundin in der Hauptstadt

War es im Städel Museum Tischbeins Goethe mit zwei linken Füßen, der mir absurderweise stets ein Gefühl von Beständigkeit gab, so nimmt diese Rolle in Berlin für mich die Nofretete-Büste ein. Nicht etwa, weil ich der Meinung wäre, dass dieses wunderbare Stück unbedingt nach Berlin gehört– das Thema soll bei Gelegenheit an anderer Stelle diskutiert werden. Sondern vielmehr, weil eben diese Büste vor etlichen Jahren, bei meinem ersten Besuch in der Hauptstadt, das Einzige war, was mir vertraut erschien.

Schon als Kind entwickelte ich eine unbändige Faszination für alte Geschichte. Die Gemahlin des Echnaton hatte es mir dabei besonders angetan. Ihr dann irgendwann in der Ägyptischen Sammlung gegenüber zu stehen, bestärkte mich mit Anfang 20 darin, Archäologie zu studieren. Dies ist also mein neues Ritual, ein Besuch bei Nofretete:

Majestätisch thront sie auf ihrem Sockel, erfüllt den Nordkuppelsaal mit ihrer Präsenz. Der stolze Blick der Sonnenkönigin bohrt sich trotz des fehlenden Auges in Herz und Seele. Eine echte Herrscherin eben. Zwar ihrer Heimat entrissen, aber doch nie gebrochen.

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