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Kultur: Auf dem Sprung

Malen mit Klebestreifen: eine Ausstellung von Magnus von Plessen in der Galerie Konrad Fischer

Wer Magnus von Plessen besuchen will, muss ihn vor der Türe erst einmal per Handy anrufen. Denn zu ihm hinaufzufinden, in sein Moabiter Dachatelier, das genau über einem ehemaligen Kornspeicher nahe der Spree liegt, wäre zu kompliziert. Ähnlich verhielt es sich mit seinen Bildern in den letzten Jahren. Wer ihnen in einer Ausstellung begegnen wollte, musste dafür einige Umwege in Kauf nehmen. In Berlin, wo der gebürtige Hamburger seit knapp zwanzig Jahren lebt, waren sie bislang noch nicht zu sehen. In New York, Chicago, Paris, Zürich ist Plessens Malerei hingegen bekannt.

Die Eröffnung einer Dependance seiner Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer in Berlin – in den USA vertritt ihn Barbara Gladstone, in der Schweiz Mai 36 – macht es nun endlich möglich, das Werk des 41-Jährigen auch an Plessens Wohnort kennenzulernen. Auf die Frage, ob er darüber Genugtuung empfinde, zuckt er nur mit den Schultern. Nein, eher Neugierde verspüre er, was es für Folgen haben werde, wenn er den Schutzraum des Unbekannten verlässt. Im Verein mit der legendären Galerie Konrad Fischer dürfte dem Autodidakten, der an der Berliner Hochschule der Künste als Gaststudent die Aktklasse von Norbert Tadeusz besuchte, die freundliche Aufnahme jedoch sicher sein.

Die vorsichtig-abwartende Antwort verrät einiges auch über sein künstlerisches Temperament. Magnus von Plessen verkörpert den Typus des skrupulösen Malers, der sich die nächsten Schritte gut überlegt und jede Veränderung reflektiert. Malerei ist für ihn ein Vehikel zur Wahrnehmung von Welt, vor allem zur Herstellung einer eigenen Bildwirklichkeit. Und doch sind seine Bilder immer auch Abbild: Ihre Gegenständlichkeit haben sie sich bis heute bewahrt, selbst wenn der Künstler erläutern muss, was sich hinter dem Konstrukt der Linien, den Schlieren verbirgt. Wer einmal die sich begattenden Pferde in dem Gemälde „Sprung“ entdeckt hat, der kann sie nicht mehr übersehen, auch wenn es wie die reine Abstraktion erscheint.

Die immer konzentriertere Auseinandersetzung mit den bildimmanenten Möglichkeiten lässt sich auch anhand der Mittel ablesen, die Plessen für seine Malerei benutzt. Von der Fotografie, die ihm als Vorlage diente und im Bild eine ferne Bezugsgröße bildete, hat er sich vor drei Jahren verabschiedet. Mag sein, dass seine Bilder zu oft mit Luc Tuymans Malerei verglichen wurden, der dieses Prinzip der Sublimierung der realen Welt, historischer Vorlagen zu einem eigenen Stil entwickelte. Prompt verzieht von Plessen bei der Erwähnung des belgischen Künstlers das Gesicht und erinnert sich mit Widerwillen an den „Tuymans-Effekt“, der ihm unterstellt wurde.

Mit seiner Klebestreifentechnik aber geht der Maler nun einen eigenen Weg. Die simplen braunen Streifen verhindern den spontanen Zugriff auf die Leinwand. Sie bilden eine Barriere zwischen dem Maler und dem Bild. „Haben Sie ,The Bourne Ultimatum’ gesehen?“, fragt er, um diesen Moment der perfekten Bezugslosigkeit zu erklären. Die Hauptfigur im Film besitzt alle Fähigkeiten und findet sich in ihrer Welt doch nicht zurecht. In seinem eigenen Kino, der Malerei, setzt von Plessen Klebestreifen ein – mal blaue, gelbe, rote, vornehmlich die klassisch braunen – und komponiert damit.

Ausgangspunkt sind meist Motive aus der unmittelbaren Gegenwart, etwa eine Fingerpuppe mit Clowngesicht oder eine Wirtshausszene, aus denen im Laufe der Zeit ein Bretterzaun mit Kopf und rotem Mund oder eine Verhörsituation mit drei Figuren wird, davor ein Tisch mit Stuhl. Nachdem das endgültige Arrangement gefunden ist, werden die Klebestreifen wieder von der Leinwand entfernt und durch Pinselstriche ersetzt. Das Ergebnis ist virtuose Malerei, die fast den Charakter eines objet trouvé besitzt, denn von Plessen kopiert sein Malereimodul, den Klebestreifen, geradezu perfekt. Dazwischen platziert er farbige Balken, die mal wie ein Bretterzaun, mal wie ein Vorhang wirken. Einen Halt erhalten die Gemälde dadurch nicht, nur eine Orientierung im Raum, zu dem sich die gemalten Figuren in ein Verhältnis setzen. Von Plessen vergleicht diese Vagheit mit jenem glitzernden Vorhang, den er in Clärchens Ballhaus entdeckt hat. Auch das Alt-Berliner Tanzlokal sei ein Ort, durch den Geschichte hindurchgegangen sei, der silberne Vorhang neben dem Parkett würde genau dieses Flirrende, die unterschiedlichen Zeitschichten vermitteln.

Eine Zeitreise macht auch der Besucher in Plessens Atelier, denn mitten im acht Meter hohen Raum steht noch das gigantische Kornmahlwerk, in das Frachtschiffe einst ihre Ladungen direkt hineinlieferten. Die Leitern, Röhren, Schächte sehen aus wie ein Denkmal der Industrialisierung. Wie in „Modern Times“, so Plessen und erinnert damit an einen weiteren Film. In seine eigenen Bilder hat dieses skurrile Setting noch keinen Eingang gefunden. An den Wänden lehnen Kohlezeichnungen, auf denen sein Atelierstuhl auf Rollen und herumfliegende Blätter zu sehen sind. Der Verfremdungseffekt lässt noch auf sich warten.

Galerie Konrad Fischer, Lindenstr. 35, bis 19. 11.; Di-Sa 11-18 Uhr.

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