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Kultur: Aus der Vergangenheit zurück Wettiner fordern wieder Dresdner Kunstschätze

Als das Deutsche Kaiserreich 1918 unterging und mit ihm all die regierenden Fürstenhäuser, unterließ es die Republik, den Adelsbesitz kurzerhand zu übernehmen. Es bedurfte mannigfaltiger Verhandlungen, die zumindest in Sachsen zufriedenstellend ausfielen.

Als das Deutsche Kaiserreich 1918 unterging und mit ihm all die regierenden Fürstenhäuser, unterließ es die Republik, den Adelsbesitz kurzerhand zu übernehmen. Es bedurfte mannigfaltiger Verhandlungen, die zumindest in Sachsen zufriedenstellend ausfielen. Nach dem „Auseinandersetzungs-Vertrag“ von 1924 bekam der Staat, was des Staates war, nämlich die ganzen zur Repräsentation des sächsischen Kurfürsten- und Königshauses in Dresden angehäuften Schätze, die vordem regierenden Wettiner immerhin Schloss Moritzburg samt Inhalt und – offenbar ganz wichtig – das Jagdrecht in mehreren Revieren.

Doch die deutsche Geschichte verlief bekanntlich nicht eben geradlinig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Wettiner auch um ihren nunmehr zweifelsfreien Privatbesitz gebracht: Die Sowjetische Militäradministration konfiszierte, was nicht niet- und nagelfest war, und vieles wurde gemeinsam mit den Dresdner Museumsschätzen nach Moskau verbracht, manches – aber bei weitem nicht alles – dann auch in der spektakulären Rückgabeaktion von 1955/56 an die DDR zurückgegeben, von dieser jedoch selbstverständlich als Staatsbesitz behandelt. Nach der deutschen Einheit 1990 wurde also eine erneute Regelung fällig. Mehr als 18 000 Objekte wurden ermittelt – von denen der Freistaat Sachsen 1999 immerhin zwei Drittel für damals knapp 24 Millionen Mark erwarb.

Doch der Vertrag enthielt ein Schlupfloch, das sich nunmehr als gewaltiges Einfallstor erweist: eine „Öffnungsklausel“, derzufolge Sachsen auch Kunstschätze herausgeben muss, von denen erst nach Vertragsschluss offenkundig wurde, dass sie einst den Wettinern gehörten. Auf dieser Klausel bauen die Anwälte der Wettiner gezielte Forderungen auf. Die weltweit einmalige Porzellansammlung wurde bereits um sechs Stücke erleichtert, von denen ein Meißner Löwenpaar auf einer Londoner Auktion Ende 2006 4,2 Millionen Euro erzielte. Da ist also noch etwas zu holen: Sogleich wurde die Forderung auf 1618 (!) weitere Porzellane ausgedehnt.

Nunmehr sind es 139 Altmeistergemälde aus den Staatlichen Kunstsammlungen, auf die das 1924 konstituierte „Haus Wettin Albertinischer Linie e.V.“ Anspruch erhebt. Außerdem wird Aufklärung über weitere 1000 seit 1945 verschollene Gemälde erwartet. Man sei „zu endgültigen vernünftigen Vergleichen jederzeit bereit“, ließ der Anwalt des Fürstenhauses begütigend wissen. Doch die Zeit läuft davon. Denn die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse sind nach dem Kriegsverlust der Bestandslisten außerordentlich mühsam zu klären. Dresdens Museums-Generaldirektor Martin Roth beklagt, dass bereits 300 000 Euro für Recherchen aufgebracht werden mussten.

Das Problem ist kein nur sächsisches. In den neuen Bundesländern gibt es allenthalben ungeklärte Fälle. In Weimar mussten wertvolle Bibliotheksbestände abgegeben werden, in Gotha liegen Forderungen vor, auf Thüringens Gebiet gab es eine Reihe kleinerer Fürstentümer, die Rechnungen offen haben. Aber auch in der alten Bundesrepublik ist nicht alles zufriedenstellend geregelt, wie der Streit Baden-Württembergs mit dem Haus Baden zeigt. Die Markgrafen, von Enteignungen nach 1945 verschont, fordern 70 Millionen Euro für überaus wertvolle Handschriften aus dem Bestand der Landesbibliothek, bei denen – wie jüngst aufgezeigt – die Eigentumsverhältnisse durchaus strittig sind. In keinem Fall hat es bundesdeutsche Politik vermocht, die Alt-Aristokratie zu abschließenden Regelungen zu bewegen. Stets waren es Einzelfallentscheidungen, die mit zunehmend höheren öffentlichen Mitteln erkauft werden mussten.

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