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SS-Parade und Spielmannszug vor der Gestapo-Zentrale: Blick in die Ausstellung.

© Topographie des Terrors

Ausstellung zum Gestapo-Hausgefängnis : Ein Ort, an dem Menschen ausgelöscht werden sollten

Im Gefängnis der Gestapo-Zentrale haben mehrere tausend Gefangene gelitten. Eine Ausstellung im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors erzählt ihre Geschichte.

Am Eingang der Ausstellung hängen wandfüllend zwei Zickzack-Fotografien. Von der einen Seite zeigen sie eine wuchtige wilhelminische Fassade, von der anderen einen Spielmannszug in Wehrmachts-Uniformen und eine SS-Standarte, die vor Hermann Göring paradiert. Auf dem Gelände, auf dem sich heute die Topographie des Terrors befindet, residierte einst auch das Geheime Staatspolizeiamt. Zur Gestapo-Zentrale gehörte ein eigenes Hausgefängnis, in dem ab 1933 mehrere tausend, fast ausschließlich männliche Häftlinge einsaßen, darunter viele prominente Widerstandskämpfer.

Von diesem Gefängnis und den Menschen, die in ihm verhört, gefoltert und mitunter auch ermordet wurden, erzählt die Ausstellung mit dem Titel „Ein Polizeigewahrsam besonderer Art“. Wer sie betritt, passiert eine gelbe Linie auf dem Boden. Sie markiert den Umriss des verschwundenen Gefängnisses. Dreht man sich um, geht der Blick auf den Gropius-Bau und das Außengelände der Topographie davor, auf dem gelbe Markierungen nun temporär die anderen Außenwände der Haftanstalt anzeigen.

Die Gestapo-Zentrale, die im Frühjahr 1933 ins Gebäude der ehemaligen Kunstgewerbeschule gezogen war, hatte den Zweiten Weltkrieg beschädigt und teilweise ausgebrannt überstanden. Ihr Zustand sei „nicht schlechter als der vom Gropius-Bau“ gewesen, sagt Ausstellungskuratorin Claudia Steur. Trotzdem wurde das Haus 1956 gesprengt und das Gelände planiert. Die Erinnerung an die hier verübten Verbrechen sollte wohl buchstäblich abgeräumt werden.

Weil die Gestapo in den letzten Kriegstagen große Teile der Haftunterlagen vernichtet hatte, war die Ausgangslage für die Ausstellung schwierig. Sie konnte aber auf Akten des Volksgerichtshofs und des Kammergerichts und vor allem die Erinnerungen von ehemaligen Häftlingen zurückgreifen. 2005 war eine erste Präsentation zum Thema auf dem Topographie-Außengelände eingerichtet worden.

Inzwischen ist der Blick tiefenschärfer geworden, man weiß mehr über die Häftlinge und das Gefängnispersonal. Der Fleischer Wilhelm Gogalla war vom Pförtner zum Gefängnisverwalter (= Direktor) aufgestiegen, lebte eine Zeit lang mit seiner Familie in einer Wohnung im Gefängnis. Seine Frau war an der Verpflegung der Gefangenen beteiligt. Als er im April 1945 Berlin in Richtung Bayern verlies, trug er den Befehl zur Hinrichtung des Hitler-Attentäters Georg Elser für Konzentrationslager Dachau bei sich.

Wie das Gefängnis aussah, das sich in einem Trakt zwischen den beiden Flügeln des Gestapo-Gebäudes befand, visualisiert ein Modell in der Ausstellung. Daneben hängen Fotos von weiteren Orten des Terrors wie dem Konzentrationslager im Columbia-Haus, dem Gefängnis im Berliner Polizeipräsidium oder den KZs Oranienburg, Sachsenhausen und Ravensbrück. Dorthin wurden Gefangene aus dem Gestapo-Hausgefängnis verlegt – und andersrum kamen Gefangene von dort, um in der Zentrale intensiv verhört zu werden. Das Gefängnis sei eine „Durchlaufstation und Drehscheibe“ gewesen, sagt Topographie-Direktorin Andrea Riedle.

Das euphemistische Wort vom „Polizeigewahrsam besonderer Art“ stammt vom SS-Chef Heinrich Himmler. Er formulierte es 1935, als das Gefängnis von 19 auf 35 Zellen erweitert werden sollte und er eine Aufstockung des Wachpersonals verlangte. Da es sich „ausschließlich um politische Häftlinge“ handele, sei ihre „sichere Verwahrung“ im staatspolitischen Interesse.

Die Bürokratie der Inhaftierung vollzog sich in 14 Schritten, von der „Erfassung der Gegner“ in Karteien, über die Einlieferung in die Gestapo-Zentrale, erkennungsdienstliches Fotografieren, Festnahme oder Verhängung von „Schutzhaft“, mehrere Stufen von Vernehmungen bis zur Überstellung an die Justiz. „Verschärfte Vernehmung“ bedeutete Gewalt und Folter. In der Ausstellung wird dieser Weg auf einer Wand nachgezeichnet, an der eine Art Schreibtisch entlangläuft, auf dem ausgefüllte Formulare und schreibmaschinengetippte Protokolle liegen.

Sie können tun mit Dir, was sie wollen. Du bist schwach, gefesselt, allein.

Der Schriftsteller Günther Weisenborn war 1942/43 im Gestapo-Hausgefängnis interniert

In einem abgedunkelten Raum kann man Tondokumente aufrufen, die demonstrieren, wie Menschen sich gefühlt haben, die das Gestapo-Prozedere durchliefen. Er habe sich „elend, schmutzig und allein“ gefühlt, erinnerte sich der Schriftsteller Günther Weisenborn, der 1942 verhaftet wurde, weil er zum Widerstandsnetzwerk der „Roten Kapelle“ gehörte. Alles in dem Gefängnis habe dem „Zerfall der Persönlichkeit“ gedient.

Unerwünschte Personen sollten zum Verschwinden gebracht werden. Doch gelungen ist der Gestapo dieser Versuch einer Auslöschung nicht. Exemplarisch erinnert die Ausstellung an 18 Biografien von Häftlingen. Der bulgarische Kommunist George Dimitroff, 1933 wegen angeblicher Beteiligung am Reichstagsbrand angeklagt und freigesprochen, konnte die „Schutzhaft“ 1934 in Richtung Moskau verlassen. Der Schauspieler Kurt von Ruffin, 1934 wegen seiner Homosexualität verhaftet, kam ins KZ Lichtenburg und wurde nach der Intervention von Kollegen entlassen. In der Heinz-Rühmann-Komödie „Ich vertraue Dir meine Frau an“ kehrte er 1943 auf die Leinwand zurück.

Andere wie der Journalist Berthold Jacob, Stalins Sohn Jakow Dschugaschwili oder der Zeichner Erich Ohser überlebten die Zeit des Nationalsozialismus nicht. Dietrich Bonhoeffer, im April 1945 ermordet, schrieb im Gestapo-Hausgefängnis sein Gedicht „Von guten Mächten“. Es endet mit den hoffnungsfrohen Zeilen „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Die Fassade des kriegsbeschädigten Gefängnisses, 1948 vom ehemaligen Häftling Norbert Leonard fotografiert.
Die Fassade des kriegsbeschädigten Gefängnisses, 1948 vom ehemaligen Häftling Norbert Leonard fotografiert.

© Norbert Leonhard

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