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Wenn Kunst Zirkus ist, ist dieser Mann ihr Direktor. Konstantin Schneider stellt sich gern vor Werke wie Peggy Buths Hollywood-Sterne.

© Doris Spiekermann-Klaas

Begegnung mit Kunstkontakter Konstantin Schneider: Das Überfall-Prinzip

Seit zehn Jahren lässt der Typ mit der Helmkamera kaum eine Vernissage aus. Konstantin Schneider ist der Kunstkontakter.

Wer in Berlin Ausstellungseröffnungen besucht, und sei es nur sporadisch, wird ihn ohne Zweifel kennen: den Mann mit dem Baumhelm. Er ist groß, trägt Baggy Pants mit Jacket, schnauft, kommt immer unangemeldet und steht meistens dort, wo man sich selbst gerade hinstellen wollte: vor dem interessantesten Kunstwerk, neben dem Galeristen, vis-à-vis des angesagten Künstlers. Auf dem Kopf trägt Konstantin Schneider, der selbst ernannte Kunstkontakter, einen gelben Helm mit Kamera. Damit filmt er alles, vom Kunstwerk bis zur Toilettentür. Oder auch die wabernde, quatschende, biertrinkende Menge der Vernissagenbesucher. Die Videoberichte publiziert er auf seiner Webseite. Konstantin Schneider ist seit zehn Jahren als rasender Reporter in Berlins Kunstwelt unterwegs. „Wie Egon Erwin Kisch“, sagt er. Seine Mission ist Dabeisein. Und zwar immer Front Row, in der ersten Reihe.

Inzwischen allerdings lässt er gelegentlich eine Eröffnung aus. Man fragt sich ohnehin, wie er das Prinzip Quantität vor Qualität, das ständige Unterwegssein die letzten Jahre durchhalten konnte. Die schräge Inszenierung allerdings liegt Schneider im Blut. Deren Kniffe hat er auch beim Werbestudium an der Universität der Künste gelernt. Er weiß, dass es ein lässiges Bild ergibt, wenn er sich mit seinem Helm vor Peggy Buths Hollywood-Sterne stellt. Auch breitbeinig und die Wampe raus wirkt bei ihm cool. Bisschen selbstironisch, bisschen auf dicke Hose. Markante Bilder sind wichtig, wenn man sich als Kunstfigur inszeniert, wie Schneider es tut. „Ich sehe mich als Mono-Marke, als Höhlenforscher im Sinne von Thomas Bernhard“, solche Sätze haut er gerne mal raus.

Es gab Abende, da schien der Mann mit der Helmkamera überall zugleich zu sein. In den Galerien in der Brunnenstraße, wenn sie alle gleichzeitig am Freitagabend Vernissage feierten, in der Kreuzberger Hinterhofgalerie, die seit den achtziger Jahren existiert, im Projektraum, der eben erst eröffnet hat, in alten Fabriken, in der Nationalgalerie und natürlich bei den einschlägigen Berliner Kunstmessen, von denen es die meisten heute nicht mehr gibt. „Ich habe aus der Schwäche, nämlich dass ich über Kunstgeschichte eigentlich nicht Bescheid weiß, eine Stärke gemacht“, sagt Schneider. Er stellt Fragen, die andere sich nicht auszusprechen trauen. Was sagt uns das Kunstwerk? Warum haben Sie das Werk überhaupt gemacht? „Wenn ich komme, kann sich der Künstler nicht aus der Affäre ziehen. Etwa mit dem Spruch ,die Kunst spricht für sich selbst‘. Dann muss er sich erklären“, sagt Schneider und grinst. „Das ist das Überfallprinzip.“ Die Rolle der penetranten Nervensäge, als Stachel im Fleisch des saturierten und manchmal selbstverliebten Kunstbetriebs bereitet ihm sichtlich Vergnügen.

Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums hat er eine Ausstellung kuratiert

Zur Verabredung kommt Schneider, zwischen Terminen in Spanien und Griechenland, in die Studiogalerie im Haus am Lützowplatz. Dort hat er anlässlich seines zehnjährigen Kunstkontakter-Jubiläums eine Ausstellung kuratiert. Er trägt einen Strickpullover, eine goldene Kappe und einen gepunkteten Schal. In Sachen Auffälligkeit ist auf ihn Verlass. Er spielt seine Rolle professionell. „Hier erleben Sie den Kunstkontakter als Kurator. Kunstkontakter International. 150 Kunstmessen in zehn Jahren. Berlin, Asien, Miami, Schanghai“, sagt er und streckt seinen Bauch heraus.

Schneider ist als Kunstkontakter im Laufe der Jahre auch selbst zum Gegenstand von Kunstwerken geworden. In einer Mixed-Media-Installation von Manuela Covini ist er in einer seiner Sternstunden zu sehen. „Am 14. Juni 2011 anlässlich der Eröffnung der Kunstmesse Art Basel schaffte es der Kunstkontakter auf die Titelseite der ,Baseler Zeitung‘“, sagt Schneider. Ein Fotograf lichtete ihn dabei ab, wie er grade ein Bild von sich selbst machte, vor einer auffälligen Kunstinstallation stehend. „Ich war schon ein Selfie-King, bevor das überhaupt losging“, sagt er. Die Arbeit von Manuela Covini, die diesen Moment reflektiert, heißt „Public Games“. Covini kombiniert besagten Zeitungsausschnitt mit genähten Kunstmarktkurven und Goldfolie. Was immer das sein mag, es ist wohl auch eine Reflektion über den schwer zu bestimmenden Wert kreativer Arbeit.

Schneider hat mit seiner Helmkamera die rasante Entwicklung der Berliner Kunstwelt dokumentiert. Er filmte Galerien, die öffneten und wieder schlossen, Künstler, die über Nacht berühmt wurden, und sah, wie sich das Aussehen, die Modestile und Herkunftsländer der in Berlin ansässigen Kunstliebhaber und Künstler veränderten. Sein Videoarchiv über eine Dekade Berliner Kunstmarktgeschehen ist ein wertvolles Zeitdokument. Früher oder später wird das die Chronisten interessieren.

In der Kunst verdienen nur die Geld, die selbst welches haben

Schneider, der sich über einen ganz normalen Brotberuf finanziert, begann vor zwölf Jahren als ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Berliner Kunstsalon, vielleicht die erste Kunstmesse Berlins. „Künstler haben heute viel schneller die Chance, von der Kunst leben zu können, als es früher der Fall war. Da wollte ich mit dem Kunstsalon unterstützend tätig sein.“ Davor spielte er Theater, war Reiseleiter und Übersetzer. Der Hang zum Performativen vermischt sich bei ihm mit einer Lust am Reden und Vermitteln. „Ich mache populäre Kunstberichterstattung. Wenn ich einfach in eine Galerie gehen kann, dann können andere das auch. Ich dachte, ich kann Leute auf den Geschmack bringen, einen Zirkel neuer Kunstliebhaber ins Leben rufen, die sich ein eigenes Urteil zutrauen und dann auch Kunst kaufen. Das hat sich hinterher als Illusion erwiesen“, sagt er. Im Gegenteil: Ihm ist längst klar geworden, dass in der Kunst nur diejenigen Geld verdienen, die selbst welches haben.

Als er 2006 anfing, war er einer der ersten Do-it-yourself-Reporter Berlins, ein Videoblogger der ersten Stunde. Als solcher hat er in den vergangenen zehn Jahren tausend Chancen gehabt, und ebenso oft sind sie verpufft. Fernsehsender interessierten sich für seine Berichterstattung, Galeristen wollten mit ihm arbeiten, Messen luden ihn ein, Schlingensief wurde aufmerksam. Viele wollten etwas, die wenigsten hatten Geld. Jeder, der in Berlins Kreativ- und Kunstszene schon mal versucht hat, seine Ideen zu monetarisieren, kennt das – den kräftezehrenden Teufelskreis aus Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung. „Man kann aus der Not eine Tugend machen, aber nicht für immer“, sagt Schneider. Kapitalismuskritik gehört ebenfalls zum Markenkern des Kunstkontakters. Seine Ausstellung heißt nicht umsonst „Not & Spiele“.

Schneider hat einen sehr klaren Blick auf die Realität, der in manchen Momenten in Hybris umschlägt. So sieht er sich als auslösendes Moment für die Professionalisierung der Berliner Galerieszene. „Mit einem Mal gab es PR-Frauen, Consultants und Pressetermine.“ Vielleicht hat sein „Überfallprinzip“ die Berichterstattung tatsächlich beeinflusst. Wer weiß das schon. Es ist wirklich schwer zu sagen, ob man Konstantin Schneider, dem „kreativen Spinner“, wünschen möchte, dass er die nächsten zehn Jahre als Kunstkontakter weitermacht oder nicht.

Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, Tiergarten, „Not & Spiele“, bis 3. April, Di–So 11–18 Uhr, Schneiders Webseite: www.berlinerkunstkontakter.de

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