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Bente-Stokke-Edition im Tagesspiegel: Asche auf Papier

Eigentlich wollten wir auf der Titelseite unserer gedruckten Samstagsbeilage "Mehr Berlin" nur ein Werk der Künstlerin Bente Stokke reproduzieren. Dann bot Stokke an, exklusiv für den Tagesspiegel zu arbeiten. Ein Atelierbesuch.

Für manche ist es purer Abfall, für Bente Stokke ein wertvolles Material. Pulvrige Asche, so matt und dunkel, dass sie das Tageslicht nicht reflektiert. Sondern mit ihrer stumpfen Oberfläche einzusaugen scheint. Bente Stokke lässt als Zeichnerin raumhohe Werke entstehen, auf denen sich Asche ablagert. Etwa im Fall von „Wall – Curtain“ 1989 in der Berliner Akademie der Künste – wirkt die Wand, als habe Bente Stokke sie so gleichmäßig wie möglich bedeckt. Das Ergebnis ähnelt einem Vorhang, der an manchen Stellen durchlässig wie zartes Gewebe ist. Der grobe Putz in der Akademie hält die dunklen Partikel unregelmäßig fest und tritt selbst als Struktur hervor.

Mit dem Rohstoff Asche arbeitet Bente Stokke seit den 1980er Jahren. Die gebürtige Norwegerin bedeckt mit ihr alltägliche Gegenstände wie Fenster, Wände oder ganze Räume. Mit ihr arbeitete die Künstlerin, Jahrgang 1952, auf Einladung der Biennale von Venedig sieben Tage lang in der alten Seilerei des Arsenals - ein Durchbruch. Stokke, die seit 2006 als Professorin für Zeichnung an der Kunsthochschule Weißensee lehrt, nimmt bei ihren Arbeiten eine Zäsur vor, die man dem Material, grau-schwarzes Restprodukt der Vernichtung von etwas, zunächst nicht ansieht. Sobald man allerdings weiß, dass sie die Asche aus modernen Müllverbrennungsanlagen bezieht, gewinnt ihre Arbeit noch einmal an Kontext. „Substrat der modernen Zivilisation“ nennt Michael Hübl diesen Stoff im jüngst erschienen, umfangreichen Werkschau-Katalog. Er enthält, was uns täglich umgibt und doch für wertlos befunden wurde. Ein Konzentrat des Alltags, das Bente Stokke erneut in den Blick des Betrachters rückt.

Herausgekommen ist bei Stokkes Arbeit für den Tagesspiegel eine ganz besondere "Mehr Berlin"-Ausgabe: 20 verschiedene Cover hat sie am Ende für uns gestaltet, vier hat die Redaktion ausgewählt, von denen nun jeweils eins ein Viertel unserer morgigen Auflage ziert. Die gesamte Edition ist ab Montag für 9,90 Euro im Tagesspiegel-Shop am Askanischen Platz erhältlich. Unserem Videoteam hat Stokke gezeigt, wie sie mit dem widerständigen Material Asche arbeitet - und erklärt, warum eine Zeitung dafür die ideale Matrix ist. Film ab!

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