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Der Berliner Oratorien-Chor wurde 1904 gegründet

© Foto: BOC

Berliner Oratorien-Chor: Die Stimmen starker Frauen

Im Konzerthaus präsentiert der Berliner Oratorien-Chor unter Leitung von Thomas Hennig Werke von Lili Boulanger, Charlotte Seither und Fanny Hensel

„Es braucht eigentlich gar nicht viel, um als schwierige Frau zu gelten“, hat die Verhaltensforscherin Jane Goodall mal gesagt, „deshalb gibt es ja auch so viele von uns.“ Komponistinnen beispielsweise galten über Jahrhunderte geradezu als anmaßend – weil die Herren der Schöpfung weiblichen Wesen keine kreative Kraft zugestehen wollten. Schwierig sind die drei Frauen, die der Berliner Oratorien-Chor am Donnerstag im Konzerthaus vorstellt, allerdings auch noch auf einer anderen Ebene: Ihre anspruchsvollen Werke zu interpretieren, ist alles andere als leicht.

Das fängt bei der 1893 in Paris geborenen Lili Boulanger schon mit der Sprache an. Anders als das Italienische ist das Französische für Menschen, die die Sprache nicht mühevoll erlernt haben, schwer auszusprechen, mit all ihren Buchstaben, die zwar geschrieben stehen, mündlich dann aber wegfallen oder allenfalls gehaucht werden. Umso beeindruckender ist es, wenn sich der Chor unter seinem Leiter Thomas Hennig jetzt gleich vier Stücke von Boulanger vornimmt.

Anspruchsvolle Werke fordern volle Konzentration

Am besten gelingen das „Alte buddhistische Gebet“, das bei der Komponistin nichts Dekorativ-Exotisches hat, sondern mit mystischen Klängen philosophische Inhalte akustisch umzusetzen versucht, sowie „Pour les funérailles d’un soldat“, ein düsterer Klagegesang, der die Toten aller Kriege beweint. Das Hauptstadt-Sinfonieorchester, ein 2015 gegründetes Ensemble junger Leute mit selbstbewusster Namensgebung, liefert die adäquate akustische Kulisse dazu, mit tiefem Blech, Gongschlägen und Trommeltremolo. 

Anspruchsvoll sind auch die Frauenchöre aus der 2020 entstandenen Oper „Fidelio schweigt“ der Berliner Komponistin Charlotte Seither: Wispernd und rauschend, klackernd und knackend steigen aus dem Orchester Naturgeräusche auf, darüber müssen die Sopranistinnen und Altistinnen ihre langen Liegetöne finden. Thomas Hennig hilft dabei, so gut es geht. Überhaupt ist der Chorleiter sehr klar in seiner Zeichengebung, zudem unermüdlich bestrebt, die choralen und instrumentalen Massen in tönende Bewegung zu versetzen.

Lichter, wenn auch nicht heiterer ist die Klangwelt im Oratorium von Fanny Hensel. Denn die Schwester von Felix Mendelssohn-Bartholdy hat sich 1831 alttestamentarische Bibeltexte vorgenommen. Als „Cantate für die Toten der Cholera-Epidemie“ ist das halbstündige Werk entstanden, eine interessante Melange aus romantischer Melodik und barocken Tonsatztechniken. Ernst und konzentriert singt der Berliner Oratorien-Chor, bis das Ganze dann schließlich doch noch in ein Jubelfinale der Gotteszuversicht mündet.

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