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Beim Eröffnungskonzert in Luckau begeistert die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker mit Tschaikowskys „Rokoko-Variationen“.

© Harald Hoffmann

Brandenburgische Sommerkonzerte starten in die 32. Saison: Einladung zur Stadtflucht

Beim Eröffnungskonzert der Brandenburgischen Sommerkonzerte 2023 in Luckau begeistert die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker mit Tschaikowskys „Rokoko-Variationen“.

15 Wochen lang verlocken sie die Berliner jetzt wieder zu kleinen Stadtfluchten: Die Brandenburgischen Sommerkonzerte, die am Samstag in Luckau in ihre 32. Saison gestartet sind. Oft schon war das Festival in dem Niederlausitz-Städtchen zu Gast. Denn einerseits bietet die Nikolaikirche – außen stolze Backsteingotik, innen theatralischer Barockschmuck – Platz für großformatige Konzerte und andererseits gibt es hier seit 30 Jahrzehnten einen rührigen Sommerkonzerte-Freundeskreis, der sich darum kümmert, dass die Gastspiele nicht nur als Ausflugsziel für Hauptstädter wahrgenommen werden, sondern ebenso als Kulturhighlight für die Leute vor Ort.  

„Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ steht über der prachtvollen Orgel von St. Nikolai. Dazu passt die wahrhaft ökumenische Werkauswahl des Eröffnungskonzerts. Im evangelischen Gotteshaus erklingen Komponisten mit katholischen, jüdischen und russisch-orthodoxen Wurzeln, gespielt von der Philharmonie Pilsen.

Start in Luckau

So ansprechend die Optik der Nikolaikirche, so herausfordernd ist ihre Akustik. Die Tschechen aber spielen mit Verve gegen den Hall an. Ihr Chefdirigent Chuhei Iwasaki, geboren in Tokio, ausgebildet in Prag, ist ein Maestro, den die Töne sichtbar durchzucken, der die Musikerinnen und Musikern zu emphatischen, ja euphorischen Interpretationen animiert.

Chuhei Iwasaki ist seit 2021 Chefdirigent der Philharmonie Pilsen.

© Ivan Maly

Vorwärtsdrängend, mit starkem Puls erklingt Mendelssohns „Sommernachtstraum“-Ouvertüre – eine schöne Vision für das Publikum hier in den kalten Kirchenmauern, in denen noch der Winter nistet, während draußen schon T-Shirt-Wetter herrscht. Doch Iwasaki ist kein Einpeitscher, er vermag ebenso, ruhige Passagen auszukosten, gibt dem zarten Ende der Ouvertüre Raum zum Atmen, bis sich vor dem inneren Auge der Blick in einen sternenklaren Juli-Nachthimmel öffnet.

Mit Verve gegen den Hall

Überzeugend, weil organisch, entwickelt sich unter der Leitung des jungen Japaners auch die Mozartsche „Jupiter“-Sinfonie, leichtgängig, zukunftszugewandt, im Finale fast mit Rossini-Quirligkeit. Den Höhepunkt des Konzertes aber setzt die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker in Tschaikowskys „Rokoko-Variationen“. Die kann man als Virtuosen-Showpiece mit rüschigem Nostalgiefaktor präsentieren, aber eben auch als berührend intime Tagträumerei für eine Saiten-Sängerin und Orchester.  

Toller Tschaikowsky

Kein Instrument kommt der menschlichen Stimme so nahe wie das Violoncello, und Marie-Elisabeth Hecker vermag ihrem Gesang ohne Worte eine Herzenswärme zu geben, die vom ersten Takt an verzaubert. Kein Ton könnte ihr unwichtig sein, denn jeder soll ja leuchten, sich zum liebevollen Gedanken formen, zur graziösen Tanzbewegung, zur betörend schönen Kantilene.

So entsteht eine „Es kann gar nicht anders sein“- Interpretation, die alle akustischen Widrigkeiten von St. Nikolai vergessen macht - und am Ende mit Bravos bejubelt wird. Genauso übrigens wie im vergangenen Jahr, als Martin Helmchen hier zum Saisonstart der Brandenburgischen Sommerkonzerte mit einer hinreißenden Interpretation von Mozarts Klavierkonzert KV 451 begeisterte.

Hecker und Helmchen sind nicht nur Solisten von Weltrang und miteinander verheiratet, sie sind auch Wahlbrandenburger, die ganz in der Nähe von Luckau wohnen. In diesem Juli realisieren sie - als Festival im Sommerkonzerte-Festival – einen langgehegten Traum: Mit ihren Künstlerfreunden werden sie in ihrer Drauschemühle in Bornsdorf proben und dann zusammen Konzerte an sieben Orten in der Spreewaldregion geben. „Fliessen“ haben sie ihr Projekt getauft: Wie das Wasser, das an ihrem Haus vorbei rauscht, wollen sie auch beim gemeinsamen Musizieren die Töne im steten Fluss halten.

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