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Musikalisch. Aus einer norddeutschen Privatsammlung kommt „Die Violinistin“ von Ernst Ludwig Kirchner (1937), die bei Grisebach mindestens 500.000 Euro bringen soll. Ein spätes Bild, das im Jahr vor seinem Tod entstand. Mit ihm gelingt dem expressionistischen Maler die Synthese seiner abstrakten Phase mit einer wiedererlangten Gegenständlichkeit.

© promo

Kunstauktionen: Bunte Klänge

25 Jahre Villa Grisebach: Spitzenwerke des Expressionismus bei den Jubiläums-Auktionen - und der Berggruen-Skandal um Bernd Schultz, den Spiritus Rector des Hauses.

Wie sie den Geigenbogen aus dem spitzwinkligen Arm führt, ertönt der Farbraum als Klangraum, scheinen die Schallwellen Farben und Körperschwünge vorzugeben. Mit dem kühn gesetzten Türkis und dem flächig-geometrischen Aufbau seiner „Violinistin“ findet Ernst Ludwig Kirchner 1937 zu einem Stil, der seiner Zeit so weit vorauseilt, dass der Freitod des Expressionisten im Folgejahr umso verlustreicher erscheint. Die hinreißende Dynamik der Figur betonen rote Konturen um den rosa verhüllten Oberkörper, die, zur Fläche verdichtet, an den Schalltrichter einer Tuba erinnern. Derart zum synästhetischen Erleben verführt, fühlt sich der Betrachter in der Rolle der sitzenden Zuhörerin – dem andächtig ruhenden Gegenpol.

Kirchners auf 500.000-700.000 Euro geschätztes Gemälde ist eines der Glanzlichter der Herbstauktionen, mit denen die Villa Grisebach ihr 25-jähriges Bestehen feiert. Getrübt wird die Feierlaune allerdings von der Affäre um die dubiose Heinz-Berggruen-Biografie von Vivien Stein. Das Licht, in das die frühere Mitarbeiterin des Hauses nun dessen Spiritus Rector, Bernd Schultz, rückt, überschattet das großartige, im Haus versammelte „Museum auf Zeit“, weil es zeigt, mit welch harten Bandagen auf dem Markt um die Perlen der Kunst gekämpft wird. (Unter diesem Link äußert sich die Autorin zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen. Auch Ex-Kulturstaatsminister Michael Naumann und Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, schalteten sich im Tagesspiegel in die Debatte ein.)

Mehr als 20 Millionen Euro sollen umgesetzt werden

Nichtsdestotrotz bietet die Villa Grisebach diesmal 1463 Kunstwerke, sechs Versteigerungen, einen zusätzlichen Auktionstag und ein mittleres Schätzvolumen von 22,6 Millionen Euro auf. Einen nicht unwesentlichen Teil dazu beitragen sollen Emil Noldes „Sonnenblumen im Abendlicht“. Entstanden im Jahr 1943 – Nolde war bereits mit Malverbot belegt –, gehört es zu insgesamt lediglich sechs Ölbildern, die in dieser Phase entstanden sind. 1,2-1,7 Millionen Euro werden für die großformatige Rarität erwartet.

Zum Millionen-Los könnte auch August Mackes wunderbare „Landschaft mit Bauer, Junge und Ziege“ werden. Eines der wohl letzten Bilder, entstanden kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, den der 27-Jährige nur wenige Wochen überlebte. Unter dem satten Blau des Himmels wird die Ernte zu Farbfeldern in Gelb-, Orange- und Grüntönen - dazwischen beackert der Bauer eine Fläche in lebhaft moduliertem Violett. Wie ein magisches Gerüst ragen drei Pinienstämme auf, die die Figuren wie zum Schutz rahmen und sich außerhalb des Bildes in den Kronen zu vereinen scheinen. Eine Vereinigung der besonderen Art erfahren Wassily Kandinsky und Gabriele Münter. Zwei Bilder, 1906 auf der gemeinsamen Italienreise gefertigt, finden zumindest für die Zeit der Vorbesichtigung wieder zusammen. Kandinskys „Rapallo – Boot im Meer“ ist mit 300.000-400.000 Euro bewertet, Münters „Bei Rapallo“ mit 60.000-80.000 Euro.

Florian Illies, zuständig für das 19. Jahrhundert

Zu den Ausgewählten Werke gehören außerdem Max Beckmanns düster-mysthische Zirkusszene „Elefant und Clown im Stall“ (700.000-900.000 Euro), ein Stillleben von Karl Schmidt-Rottluff zur unteren Taxe von 400.000 Euro und Oskar Kokoschkas beeindruckendes „London mit Houses of Parliament“ von 1967. Mit 81 Jahren lässt der Maler die Metropole mit furiosen Pinselhieben pulsieren und fängt bei aller Abstraktion doch so klar deren Silhouette ein (500.000-700.000 Euro). Den Auftakt des viertägigen Marathons (23.- 26.11.) macht diesmal nicht die Fotografie mit Highlights von Ansel Adams, Hiroshi Sugimoto oder Cindy Sherman. Sondern eine eigene Auktion mit Kunst des 19. Jahrhunderts. Was geradezu anti-zyklisch anmutet. Für den Aufbau der Abteilung und als Geschäftsführer ließ sich Florian Illies gewinnen. Der Autor des Bestsellers „Generation Golf“ und Mitbegründer des Kunstmagazins „Monopol“ schien bislang auf die Gegenwartskunst abonniert. „Das war ein Ausflug. Jetzt bin ich in meinem Jahrhundert angekommen“, so der 40-Jährige, der sich zwischen Miniaturen von John Constable (40.000-60.000 Euro) und Carl Blechen (20.000 - 25.000 Euro) oder den Ölstudien von Carl Hummel (6000-12.000 Euro) sichtlich wohlzufühlen scheint. Höchste Erwartungen wecken Adolph von Menzels „Zwei friderizianische Offiziere im Gespräch“ mit 140.000-160.000 Euro.

Trotz des Blicks zurück sind die Zeitgenossen mit einem „Abstrakten Bild“ von Gerhard Richter und einem unbetitelten Rasterbild Sigmar Polkes (je 180.000-240.000 Euro) prominent vertreten. Daniel von Schacky hat die Contemporary-Sparte in den letzten Jahren etabliert und betreut sie seit September vom Rheinland aus, als Leiter der neuen NRW-Repräsentanz Grisebachs. Im Rahmen der Ausgewählten Werke ist Heinz Macks „Hommage an Steinway & Sons“ auf bis zu 150.000 Euro geschätzt, gleichauf mit Georg Baselitz' unbetitelter Leinwand (Teichdamm). Das auch sonst starke Angebot der Kunst nach 1945 kommt in einer separaten Auktion unter den Hammer. Ein weiteres Novum anlässlich des Jubiläums.

Villa Grisebach, Fasanenstraße 25. Vorbesichtigung: Sonnabend bis Montag von 10 - 18.30 Uhr, Dienstag, 22. 11., 10 - 17 Uhr.

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