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Fotografisch genau, aber Malerei: „View From Giglio – Fall“ von Israel Hershberg (2023).

© Trevor Good

Chamäleon am Haken: Israel Hershberg täuscht mit seinen Bildern

Realistish wie Fotografie: Der israelische Künstler hat seine erste Einzelausstellung in Deutschland in der Berliner Galeria Plan B.

Von Dorothea Zwirner

Im Weitblick auf eine typisch italienische Landschaft staffeln sich die unterschiedlichsten Grüntöne. Bäume, Felder, Wiesen und bewaldeten Hügel mit ersten Herbstgelb-Akzenten gruppieren sich bis hin zu den dunstig blauen Leonardo-Bergen wie auf einer Postkarte.

„View from Giglio – Fall“ von 2023 ist so hyperrealistisch gemalt, dass man ganz nah herantreten muss, um sich zu vergewissern, dass es sich nicht um ein Foto handelt. Trotz der altmeisterlichen Malweise kommt kein Zweifel auf: Es handelt sich bei Israel Hershberg um einen zeitgenössischen Maler, dem die Galeria Plan B seine erste Einzelausstellung in Deutschland ausrichtet.

Radikaler Kontrast zur digital vermittelten Welt

„Imago“ lautet der Titel der Ausstellung, der seine Malerei von vornherein in einem bildtheoretischen Kontext verankert. Im radikalen Kontrast zur medial und digital vermittelten Welt malt Hershberg mit großer Eindringlichkeit unmittelbar „aus dem Leben“ selbst, um gleichzeitig auf dem Eigensinn der Malerei zu bestehen. Dazu trägt vor allem die unglaubliche Feinmalerei bei, die seine Bilder wie von Innen leuchten lässt. Dazu tragen aber auch die Wahl der Motive und Ausschnitte bei – Landschaften in extremen Querformaten und Stillleben in Miniatur-Formaten, die staunen machen vor so viel atmosphärischer Dichte und Intensität.

Die Kostbarkeit und Vergänglichkeit des Lebens

Sei es die getrocknete Sonnenblume auf einem Holztisch, die beiden Zitronen hinter der Glasflasche oder das skelettierte Chamäleon am Haken, seien es die silbrigen Sprotten in ihrer Pappschachtel oder die Zypressenspitzen vor blauem Himmel – sie alle werden zu berückenden Kleinoden zwischen Ikone und Konzept, die von der Kostbarkeit und Vergänglichkeit des Lebens zeugen. Stilistisch finden sich Anklänge an Renaissance-Malerein, doch der schonungslose Verismus eines männlichen Akts auf einer Liege erinnert auch an Philip Perlstein und das leere Wasserglas an Peter Dreher.

Die intensive Beschäftigung mit der figurativen Malerei reicht weit zurück in Hershbergs Kindheit und Jugend. Der 1948 in einem Displaced Persons-Camp in Linz, Österreich geborenen Künstler emigrierte mit seinen Eltern 1949 zunächst nach Israel und dann 1958 in die USA, wo er die Brooklyn Museum School besuchte und am Pratt Institute und der State University of New York Malerei studierte. Gegen den Zeitgeist der amerikanischen Minimal- und Konzeptkunst der 1970er Jahre hielt er unbeirrt an der Figuration fest.

1984 kehrte er dann nach Israel zurück, wo er 1998 die Jerusalem Studio School als erste Kunstschule für realistische Malerei gründete, an der er unter anderem auch Victor Man unterrichtete. Es ist bezeichnend, dass die äußerst gefragten und raren Werke des rumänischen Künstlers gerade in einer Einzelausstellung im Städel Museum in Frankfurt inmitten der Altmeistersammlung zu bewundern sind.

Fast alle Arbeiten stammen aus Privatbesitz und sind unverkäuflich

Offenkundig hat Victor Man sich einiges von der altmeisterlichen Malerei seines Lehrers Hershberg abgeschaut, von dem bei Plan B bis auf wenige Ausnahmen nur unverkäufliche Arbeiten aus Privatbesitz aus den Jahren 1993 bis 2023 gezeigt werden. Die individuelle Rahmung unterstreicht die auratische Wirkung der sparsam gehängten Bilder, die von einer zehnteilige Reihe von Bleistiftzeichnungen ergänzt werden; italienische Veduten, die kaum zu datieren wären, wenn sie nicht hier und da von Strommasten durchzogen wären.

Da Israel Hershberg außerhalb Israels und der USA noch kaum in öffentlichen, dafür aber in wichtigen Privatsammlungen vertreten ist, bietet die aktuelle Ausstellung eine seltene Gelegenheit, einen außergewöhnlich unzeitgemäß zeitlosen Maler kennenzulernen.

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