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In der Schau „Impossibel“ ist auch das Werk „Super Duke“ von Alexandra Bircken aus dem Jahr 2023 zu sehen.

© dpa/Uli Deck

Museum Frieder Burda in Baden-Baden: Chaos auf dem Kreuzfahrtschiff

Optische Täuschungen, Verwirrungen, Surrealismus: Kurator Alexander Timtschenko möchte in Baden-Baden mit der Ausstellung „Impossible“ einen „Parcours des Staunens“ zeigen.

So bald wird man hier keinen Kuchen mehr essen können. Wo man auch hinschaut – das blanke Chaos. Die „Pacific Sun“ scheint in unruhige Gewässer geraten zu sein und der Wellengang hat das Mobiliar in Bewegung gesetzt: Tische und Stühle schlittern von links nach rechts und wieder zurück, Teller und Tassen purzeln umher. Auch hinterm Tresen ist nichts mehr, wie es war.

Und doch ist es ein lustigeres Schauspiel, das Thomas Demand inszeniert hat, als es in Wirklichkeit gewesen sein wird. Der Künstler entdeckte auf YouTube einen Clip, der 2008 auf einem Kreuzfahrtschiff entstand, das in ein Unwetter geraten war. Demand baute das Mobiliar des Speisesaals nach und zeigt im Museum Frieder Burda in Baden-Baden nun eine Art Choreografie der Dinge, die wie von Geisterhand bewegt werden. Das ist, worum es in der neuen Ausstellung „Impossible“ geht – um zeitgenössische Kunst, die die Wirklichkeit kräftig manipuliert und neue, befremdliche Realitäten entstehen lässt.

Aber tut die Kunst das nicht immer oder zumindest häufig? Als vor vielen Jahren Neo Rauchs Gemälde die Kunstwelt eroberten, ging er einen großen Schritt voran und schuf auf der Leinwand keine perfekten Illusionen mehr, sondern eröffnete imaginäre Welten, in denen Grenzen und Ebenen bewusst aufeinanderprallen und doch wie in der Collage zusammengezurrt werden in einer stimmigen Komposition. Auf Gemälden wie „Ausschüttung“ (2009) macht er vor, dass Figuren wie Erscheinungen auftauchen können oder Wasser aus einer Schale fließt und im Nichts versiegt.

Verwundertes Staunen

Der Kurator Alexander Timtschenko, der auch als Fotograf tätig ist, wollte im Museum Frieder Burda einen „Parcours des Staunens“ einrichten – und tatsächlich reibt man sich verwundert die Augen, was mit dem Oberkörper der Frau passiert ist, die in der Umkleidekabine eine Art Pullover anprobiert, der hier wie ein ungreifbares Etwas die realistische Szene konterkariert. Oder Wim Delvoyes kleiner Lastwagen, der aus Stahl gefräst wurde: Die Skulptur wirkt, als habe sie zu lang im Windkanal gestanden, sodass sie wie Kaugummi verformt wurde und die Konturen nachgegeben haben. Hier trifft der Ausstellungstitel „Impossible“ wahrlich zu – und zeigt sich die „Macht des Imaginären“, die Alexander Timtschenko verhandeln will.

Im Jahr 1866 veröffentlichte der französische Künstler und Illustrator Gustave Doré eine Reihe von 241 Holzstichen für eine neue Luxusausgabe der französischen Übersetzung der Vulgata-Bibel von 1843, die im Volksmund als Bible de Tours bekannt ist. Diese neue Ausgabe wurde unter dem Namen La Grande Bible de Tours bekannt, und ihre Illustrationen waren ein großer Erfolg. Der Bericht über Jakobs Ringen mit dem Engel findet sich in Genesis 32:22-32.
Im Jahr 1866 veröffentlichte der französische Künstler und Illustrator Gustave Doré eine Reihe von 241 Holzstichen für eine neue Luxusausgabe der französischen Übersetzung der Vulgata-Bibel von 1843, die im Volksmund als Bible de Tours bekannt ist. Diese neue Ausgabe wurde unter dem Namen La Grande Bible de Tours bekannt, und ihre Illustrationen waren ein großer Erfolg. Der Bericht über Jakobs Ringen mit dem Engel findet sich in Genesis 32:22-32.

© imago/United Archives/WHA

Dass es zur Kunst aber letztlich von jeher gehörte, Imaginiertes sichtbar zu machen, das wird deutlich bei einem Druck aus dem 19. Jahrhundert, der plötzlich zwischen den zeitgenössischen Werken auftaucht: „Jakob ringt mit dem Engel“ von Gustave Doré. Schließlich steckt nicht nur die Bibel, sondern auch die Mythologie voller Wunder und irrealer Ereignisse, die die Kunst über Jahrhundert hinweg immer neu versuchte bildlich umzusetzen.

Vage und undifferenziert

Auch wenn die Ausstellung sich auf Theodor Adorno beruft und sein Zitat „Kunst ist Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein“, so entpuppt sich das Konzept der Schau am Ende dann doch als recht vage und undifferenziert. Es wurden kaum mehr als beliebige Positionen aneinander gereiht, die mehr oder minder überzeugend das Unmögliche illustrieren.

Trotzdem: Auch wenn hier keineswegs fremde Mächte im Spiel sind, verfolgt man gern die köstlichen Kettenreaktionen, die das Künstlerduo Fischli & Weiss 1987 für seinen Film „Lauf der Dinge“ inszenierte und dazu Reifen, Räder und Wippen in Bewegung setzte, damit dank Dominoeffekt Funken springen und immer neue Feuer entfacht werden.

Hier wurden die unsichtbaren Kräfte der Elemente sehr bedacht und kontrolliert eingesetzt – während sie M.C. Escher eher überlistete, kraft seiner Vorstellungsgabe. Die optische Täuschung macht’s möglich, was sich in Zeiten knapper Energie so mancher wünscht: dass das Wasser seines „Wasserfalls“ (1961) erfolgreich der Schwerkraft trotzt und ein Mühlrad dank eines geschlossenen Kreislaufs dauerhaft antreiben kann.

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