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Eine Szene aus „Simone de Beauvoir - Ich möchte vom Leben alles“.

© Julia Bernhard: Simone de Beauvoir/Julia Bernhard: Simone de Beauvoir

Simone de Beauvoirs Leben als Comic: Wie gut, dass sie darüber geredet hat

Julia Bernhards und Julia Korbiks Comic „Simone de Beauvoir – Ich möchte vom Leben alles“ bietet eine aufschlussreiche Einführung in die Biografie der Frauenrechtlerin.

Von Birte Förster

Mit Rollenbildern und der Erwartungshaltung, die die Gesellschaft gegenüber Frauen hat, beschäftigt sich Julia Bernhard bereits seit Langem. In ihrer preisgekrönten Graphic Novel „Wie gut, dass wir darüber geredet haben“ gibt die Berliner Comiczeichnerin teils absurde Dialoge zum Besten und entlarvt die veralteten Rollenvorstellungen ihres Gegenübers, wie im Falle ihrer Großmutter.

„Es gibt ein Frauenbild, das sehr überholt und nicht mehr zeitgemäß ist, in dem sich die Frauen auch nicht wiedererkennen oder wiedererkennen möchten“, sagte Bernhard vor einigen Jahren in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“.

Nähe und Distanz: Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre in einer Szene aus dem besprochenen Buch.

© Julia Bernhard: Simone de Beauvoir

Ähnlich hat es über ein halbes Jahrhundert zuvor bereits die französische Frauenrechtlerin und Philosophin Simone de Beauvoir gesehen. Mit einem Unterschied: Der Wunsch der Frauen nach Gleichberechtigung und Autonomie war damals in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vorhanden.

Ein Leben fernab gesellschaftlicher Konventionen

Simone de Beauvoir brachte die Revolution in Gang. Julia Bernhard hat der Ikone der französischen Frauenbewegung nun eine Graphic Novel gewidmet. Für das Buch mit dem Titel „Simone de Beauvoir – Ich möchte vom Leben alles“ (Rowohlt, 224 S., 25€) hat sie mit der Berliner Journalistin und Autorin Julia Korbik zusammengearbeitet.

Facettenreiche Persönlichkeit: Eine weitere Seite aus „Simone de Beauvoir – Ich möchte vom Leben alles“.

© Julia Bernhard: Simone de Beauvoir/Julia Bernhard: Simone de Beauvoir

Korbik ist eine ausgewiesene Expertin für das Leben und Werk von Simone de Beauvoir, bei Rowohlt ist bereits ihr Buch „Oh Simone! Warum wir Beauvoir wiederentdecken sollten“ erschienen.

In der Graphic Novel tritt Simone de Beauvoir als facettenreiche Persönlichkeit hervor, die sowohl beruflich als auch privat ihren eigenen Weg verfolgt. Das gelingt vor allem durch ausführliche Recherchen und Korbiks umfangreiche Kenntnisse.

Die Ausgangsbasis stellt ein Besuch der amerikanischen Biografin Deirdre Bair im Jahre 1986 in Simone de Beauvoirs Pariser Wohnung dar, nur wenige Wochen später verstirbt die französische Intellektuelle. In dem Gespräch lässt Simone de Beauvoir wichtige Etappen ihres Lebens Revue passieren oder wird von ihrer Biografin darauf gestoßen.      

Es geht um ihr Aufwachsen in gutbürgerlichen Verhältnissen und wie bereits in frühen Jahren der Wunsch in ihr aufkeimt, ein freies Leben zu führen – fernab gesellschaftlicher Konventionen. Dazu zählt auch, dass sie ihren Glauben an Gott verliert. Sie möchte ihrem Leben einen Sinn verleihen und beschließt, Schriftstellerin zu werden.

Eine weitere Seite aus „Simone de Beauvoir – Ich möchte vom Leben alles“.

© Julia Bernhard: Simone de Beauvoir/Julia Bernhard: Simone de Beauvoir

Früh lernt sie, die Umstände nicht als gegeben hinzunehmen, sondern alles zu hinterfragen. Dabei hilft ihr auch das Philosophie-Studium, das sie 1929 als eine der Besten ihres Jahrgangs mit der Agrégation abschließt, der Zulassungsprüfung für die oberen Posten in Schulen der Sekundarstufe.

Eine Frau, die kompromisslos ihren Weg verfolgt

Auch ihre lebenslange Verbundenheit zu dem Philosophen Jean-Paul Sartre, mit dem sie eine offene Beziehung hatte, greifen Bernhard und Korbik auf. Sie vermitteln einen schlüssigen Eindruck davon, wie sich Simone de Beauvoirs philosophische Gedankenwelt entwickelt, sie zu einer wichtigen Vertreterin des Existenzialismus wird und ihre Kritik am patriarchalen System schließlich in ihrem bekanntesten Werk, dem feministischen Essay „Das andere Geschlecht“, mündet.

Julia Bernhard erzählt all das mit einer weichen Ligne Claire und schwarz-grauen Schattierungen. Mit wenigen Strichen erschafft sie lebendige Figuren. Einzelne Details und Elemente hat sie mit Ockerfarbe koloriert. An vielen Stellen stechen auch die geometrischen Formen hervor. Der Fokus liegt aber vor allem auf den Dialogen sowie den Gedankenblasen, aus denen sich Simone de Beauvoirs Fragen und Erkenntnisse ablesen lassen.

Julia Korbik und Julia Bernhard: „Simone de Beauvoir – Ich möchte vom Leben alles“ (Rowohlt, 224 S., 25€)

© Rowohlt

In der Graphic Novel wird Simone de Beauvoir auch als eine Frau porträtiert, die zum Teil kompromisslos ihren Weg verfolgt. Die klare Vorstellungen davon hat, wie die Dinge zu laufen haben.

So reagiert sie zunächst erzürnt, als sie von dem Freispruch der jungen Marie-Claire Chevalier erfährt, die 1972 wegen illegaler Abtreibung verklagt wird. Der Prozess gilt in Frankreich als Meilenstein im Kampf um die Legalisierung der Abtreibung, den Simone de Beauvoir maßgeblich unterstützt hat. Dass die positive Wendung früher kam als erwartet, lief entgegen ihren Plänen: Sie hatte bereits einen Artikel vorbereitet, in dem sie die Verurteilung aufs Schärfste kritisiert.  

Der Comic liefert einen umfassenden Einblick in das Leben und Wirken der französischen Frauenrechtlerin, die mutig für ihre Ideale gekämpft und zu einer nachhaltigen Veränderung der Gesellschaft beigetragen hat.

Gleichzeitig ist auf der künstlerischen Ebene wenig Überraschendes zu entdecken. Eine ganz eigene, neue Perspektive bietet die Graphic Novel nicht. Für diejenigen, die sich bisher noch nicht mit Simone de Beauvoir befasst haben, bietet das Werk allerdings eine äußerst aufschlussreiche Lektüre.  

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