zum Hauptinhalt
Damon Albarn.

© picture alliance / dpa

Damon Albarn in Berlin: Der Elefant muss den Berg hinauf

Damon Albarn gibt im ausverkauften Berliner Astra-Kulturhaus ein mitreißendes Konzert - und lässt das Publikum verstummen.

Schick, so ein Tamburin mit Aufdruck. Damon Albarn hat sich für das Modell „Betende Hände“ im Dürer-Stil entschieden, wahrscheinlich gerade der Top-Seller in seinem Gospelbedarfsladen. Er streckt es vor das Mikrofon und lässt den Schellenkranz kräftig schnarren – auf dass sich alle Ohren und Herzen öffnen mögen für diese Messe zur Feier des kürzlich erschienenen ersten Albarn-Soloalbums.

Los geht es mit „Lonley Press Play“, das der Londoner Musiker mit seiner vierköpfigen Band sehr druckvoll, aber ohne die auf der Platte zu hörenden Streicher und Samples spielt. Bereits beim folgenden „Everyday Robots“, dem Titelstück des Albums, verlässt der 46-Jährige diese reduzierte Linie wieder: Vom überdrehten Predigerzitat bis zu den schiebenden Streichern sind alle Zutaten dabei. Im Zentrum steht Albarns betörend melancholischer Gesang, der durch einen Echo-Effekt noch intensiver wirkt. Mit geschlossenen Augen sitzt der Sänger am Piano, wiegt seinen Oberkörper hin und her und zieht das Publikum im ausverkauften Astra-Kulturhaus tief in seinen Bann.

Die Konzentration im Saal ist ungewöhnlich hoch, sieht man mal von einigen Fans ab, die die parallel stattfindende Achtelfinalpartie auf ihren Smartphones im Blick haben. Als Albarn nach einer Stunde die bittere Ballade „The History Of A Cheating Heart“ singt – nur von seiner Akustikgitarre und dezenten Band-Tupfern begleitet –, ist die Stille geradezu andächtig. Albarn bedankt sich anschließend sichtlich beeindruckt vom „definitiv ruhigsten“ Publikum, das er bei dieser Tour erlebt hat. Schon den ganzen Abend ist er extrem gut gelaunt, zerlacht mal einen Songanfang, spritzt flaschenweise Wasser in die Menge und erzählt in sympathischem Holperdeutsch von seinem Schüleraustausch in Wetzlar.

Dass die ruhigen Momente so gut funktionieren, liegt an der spannungsreichen Dramaturgie des Abends. Die Balance zwischen schnellen, lauten und getrageneren Stücken ist perfekt austariert. Albarn ergänzt die Songs von „Everyday Robots“ etwa zu gleichen Teilen mit Liedern seiner diversen Bands und Projekte, wobei er auch gern leicht Abseitiges einstreut wie den Gorillaz-Song „Tomorrow Comes Today“ oder das eckig groovende „Poison“ von Rocket Juice & The Moon.

Damon Albarn spielt auch Songs seiner Bands Blur und Gorillaz

Albarns formidable Begleitband wechselt mit Leichtigkeit zwischen den Genres und Stimmungen. „Kingdom Of Doom“, das Albarn einst mit der Supergroup The Good The Bad And The Queen aufgenommen hatte, verwandelt sie in einen euphorischen Rocksong. Und natürlich kann sie auch Blur: „All Your Life“ bildet das Jubel-Finale des regulären Sets. Dass Albarn die Britpop-Band, mit der er in den Neunzigern bekannt wurde, so unprätentiös in seine kleine Werkschau einsortiert, ist angemessen. Denn alles, was danach kam, war mindestens genauso wichtig und erfolgreich. Wie zum Beweis eröffnet der Gorillaz-Song „Clint Eastwood“ den Zugaben-Block – und die Menge hebt schon bei den ersten Melodica-Tönen ab. Der Bass lässt die Mägen beben, Gast-Rapper Manifest spult immense Textmassen herunter und Albarn springt grimassierend zwischen den Musikern herum.

Auch der fünfköpfige Chor ist jetzt wieder auf der Bühne. Schon beim Gorillaz- Song „El Mañana“ hatte er mitgesungen, was aber kaum zu hören war. Das ist jetzt anders. Bei der Gospel-Pop-Nummer „Mr. Tembo“ sorgen die Sängerinnen und Sänger für ein voluminöses Gegengewicht zum fröhlichen Ukulelen-Rhythmus. Das Stück handelt von einem Elefanten, der einen Berg hochgeht und dabei ein bisschen Hilfe braucht. Er heißt Tembo und es gibt ihn wirklich, Albarn hat ihn und seine gospelliebenden Pfleger in Tansania kennengelernt. Ihnen würde sicher auch „Heavy Seas Of Love“ gefallen, das die Band als Rausschmeißer spielt. Bei dem Gospelstück wird eifrig mitgeklatscht, und der Refrain surrt sogar noch bis zum Schlusspfiff des Algerienspiels durch den Kopf.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false