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Edith Clever in Hans-Jürgen Syberbergs Film „Die Nacht“ von 1985.

© Akademie der Künste

Der Maler und die Schauspielerin: Ausstellung am Pariser Platz

Luc Tuymans und Edith Clever: Die Akademie der Künste bringt zwei Künstlerpersönlichkeiten zusammen, die auf den ersten Blick wenig verbindet.

Der Künstler sagt selbst, es sei eine „trockene Ausstellung“ geworden. Ungewöhnlich ist es allerdings, was die Akademie der Künste als gemischtes Doppel am Pariser Platz präsentiert: Bilder des Malers Luc Tuymans und Dokumente von Edith Clevers Schauspielkunst.

Das hat auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun und auf den zweiten auch noch nicht. Es war erst einmal eine Idee: Akademiemitglieder aus verschiedenen Sparten suchen die Begegnung, vielleicht sogar die Konfrontation. Tuymans, der die Auswahl hatte beim Auftakt dieser neuen Reihe, verfiel auf Edith Clever. Er hatte sie vor Jahren in Hans-Jürgen Syberbergs Film-Séancen gesehen und bewundert.

Nun stellen sich bei diesem Projekt, das ja letztlich doch auch von Gemeinsamkeiten lebt, grundsätzliche Fragen. Ein Maler hängt seine Werke an die Wand. Aber wie stellt sich eine Schauspielerin aus, wenn nicht auf der Bühne? Auch die filmischen Arbeiten mit Edith Clever verweisen auf das Theater.

In der Zeit mit Syberberg war ihre Schaubühne bereits Vergangenheit. Im Foyer der Akademie ist sie wiederzusehen in ihren historischen Rollen, und das beginnt schon in den 1960er Jahren in Bremen bei Kurt Hübner und später dann geht es weiter mit Peter Stein. Aber dies ist keine theaterhistorische Schau, sondern vielmehr der Versuch, das Historische in ein heutiges Licht zu setzen.

Dabei entstehen grelle Farben und – bei Tuymans – Unschärfe. Der belgische Maler ist international in den wichtigsten Museen und Sammlungen vertreten. Im Palazzo Grassi in Venedig hatte er 2019 eine gewaltige Einzelausstellung: Man verließ den Schauplatz wie betäubt von seinen enigmatischen Porträts. Tuymans scheint die Zeit einzufrieren, die Gegenstände verschwimmen in Hypnose.

In der Akademie aber gehört Edith Clever das Entrée. Großflächig zeigt sie ihr Gesicht, ungeschminkt, stumm, in einem „Cinematic Portrait“ von Alex Salinas aus diesem Jahr. Man will weitergehen in die Ausstellung und bleibt doch stehen. Edith Clevers Konzentration bannt den Betrachter. Fühlt sie Schmerz, strahlen ihre Augen Trauer aus oder liegt dahinter Frieden?

Hier berühren sich Malerei und Schauspiel doch, auch wenn nichts fixiert bleiben kann. Und dann beginnt das Filmporträt von vorn. In einem anderen Raum hört man ihre Stimme, Fragmente aus der „Nacht“. Damals hat man sie manchmal als affektiert empfunden. Jetzt nicht mehr. Jetzt vermisst man (auf dem Theater überhaupt), was einst wie selbstverständlich klang. Das Theater setzt längst mehr auf das Bild als auf die Sprache.

Dafür aber ist Tuymans nicht zu haben. Da gibt es nichts Plakatives. In der Akademie hängt im Großformat „The Stage“ (2020), eine Malerei nach einem Computerbild, eine leere Bühne, auf der niemals jemand stehen wird. Dazu die „Numbers“, nackte Zahlen. Kalenderblätter, Erinnerungen an die Pandemie.

Eine verschattete Figur trägt den Namen „Himmler“. Ein Gesicht ist nicht zu erkennen. „Der Architekt“ – gemeint ist der Nazi-Rüstungsminister Albert Speer – ist dargestellt als gesichtslose Gestalt im Schnee, gemalt nach einem Filmbild. Unschärfe der Erinnerung: Das erzeugt ein mulmiges Gefühl und enthält eine versteckte Warnung.

Syberbergs Filme über die deutsche Vergangenheit zelebrierten Romantik und Verlustschmerz. Da war einige Ambivalenz im Spiel. Syberberg, um Geniekultiges nicht verlegen, sah sich zwischen Wagner und Brecht – und doch wohl näher bei Wagner. Er ist hier nicht das Thema, aber ein Ausgangspunkt.

Mit Syberberg hatte Edith Clever noch einmal eine Bühne gefunden. Das kann man leider nicht von vielen Schauspielerinnen ihrer Generation sagen. Und deshalb lohnt auch diese erratische Ausstellung am Pariser Platz: Eine Stimme überstrahlt die verblassende Erinnerung.

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