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Bauhaus-Leader Peter Murphy am Montag in der Zitadelle Spandau

© IMAGO/Future Image

Die Band Bauhaus in Berlin: Das überleben wir auch noch

Von Fledermäusen umschwirrt rocken: Das Konzert der Gothic-Band Bauhaus in der Zitadelle Spandau.

Wenn Totgesagte länger leben, dann gilt das für Gothics erst recht. Das liegt am Lebenswandel – wenig schädliches Sonnenlicht, viel liebevolle vestimentäre Abendvorbereitung. Und ungesunde Bierbäuche wären zum schwarzen Netzhemd ohnehin ein Tabu.

Vielleicht sitzt darum am Montag alles so großartig beim Bauhaus-Gig in der Zitadelle Spandau, deren Fledermauspopulation (10 000 sollen es sein, sagt Graf Zahl) von einem imaginären Set-Dekorateur nicht passender hätte ausgesucht werden können.

Auf der Bühne unter dem sich malerisch verdunkelnden Abendhimmel stehen ab 20.30 Uhr vier hagere Briten, die seit 1979, als sie im kleinen nordenglischen Studio in einem einzigen Neun-Minuten-Take ihre Debütsingle „Bela Lugosi’s Dead“ aufnahmen, mit vielen Pausen in der gleichen Besetzung zusammenspielen.

Sänger Pete Murphy trägt (mitlerweile) Glatze und edlen Gehstock, vielleicht auch nur ein umfunktionierter Mikroständer, aber der Effekt ist ähnlich, zum sternenbesetzten Jackett. Sein Gruftie-Glam-Bariton klingt mit 65 Jahren düster und fürnehm wie dereinst, seine Augen (alle anderen verstecken sie selbstredend hinter symptomatischen Sonnenbrillen) funkeln wie bei Max Schreck kurz vor dem Biss in den Frauenhals.

Daniel Ash hat die Haare zum mächtigen Waveturm aufgesprüht, der Gitarrengurt liegt über den Feder-Schulterpolstern eines Glitzer-Gehrocks, seine Telecaster fuzzt verzerrt und selbstbewusst los: Der erste Song ist „Rosegarden Funeral of Sores“, ein frühes John Cale- Cover.

Eklektische Mischung

Der ungerührte David J. am Bass, wie üblich im Anzug (es gibt auch Grufties mit tadellosem Geschmack), und sein Bruder Kevin Haskins, 62-jähriges Bandküken, sorgen für den Beat, der diesen immer wieder auch psychedelischen Goth-Rock stets so steady und tanzbar machte.

Denn das war und ist das Faszinierende an den ursprünglich aus Northampton stammenden Bauhaus, deren Sound – anders als ihr Logo – in keinster Weise die gleichnamige Kunstschule zitiert: Für eine Gothic-Band klingen sie zu unpathetisch-minimalistisch, für eine Rockband zu morbide, für Psychedelia zu hart, und für Hardrock oder Dub sind sie schlichtweg zu gut angezogen.

Diese ungewöhnliche, eklektische Mischung, die sich auf ihren fünf Alben findet – die ersten vier brachen innerhalb von vier Jahren hervor, das letzte schlug sich ein Vierteljahrhundert später, 2008, wacker – funktioniert live noch immer fantastisch. Bauhaus spielen das mit einem geheimnisvollen U-Boot-Sonar- Sound unterlegte „Double Dare“, sie spielen das schnelle, dunkel rumpelnde „In the flat field“, „A God in an Alcove“, „Kick in the eye“ mit seinem vollen Disco-Rhythmus, und den langsamen 1983er Hit „She’s in Parties“, dessen traurige, von Murphy geblasene Melodica- Melodie zusammen mit dem Rimshot- Backbeat Jahre vor den Gorillaz wiederum die Dub-Anmutung unterstrich.

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Dann stimmen sie zur großen Freude des Publikums, das in seinen aus den Kleiderschrank-Ecken gekramten, rabengrauschwarz grundierten Lieblings-T-Shirts (Joy Division, Siouxsie, Dead Can Dance, Neubauten, Nick Cave, Alien Sex Fiend, The Cure), in zerrissenen Netzstrümpfen, mit vereinzelt bunten Haarschöpfen und bunten Bärten und in beeindruckenden, schwarz-weißen Wave-Make-up-Varianten begeistert im Takt wackelt, die Hommage an den – neben Max Schreck – einzig wahren Dracula an: „Bela Lugosi's dead“.

Dabei ist der ungarische Schauspieler noch nicht mal richtig tot, sondern eben „Undead, undead, undead“, so wie es auf den vielen mit Bauhaus-Shirts bekleideten Rücken der Fans steht. Besonders passend wirkt das bei einem quietschlebendigen kleinen Jungen, der auf den Schultern seines Vaters sitzt, und auf die den Gothics (oder Wavern, wie man sie auch eine Weile nannte, oder Grufties, wie sie eigentlich nie hießen) nachgesagte Todessehnsucht pfeift.

Ernst gemeinte Glam-Hommage

Und von wegen „the bats have left the belltower“. In diesem Augenblick hängen die Spandauer Fledermäuse garantiert alle kopfüber an der Decke und hören in ihrem Ultraschallbereich zu. Sie bekommen danach noch „Passion of Lovers“, das nervös-geniale „Stigmata Martyr“, das frühe Post-Punk-Stück „Dark Entries“, und die Bowie- und T Rex-Cover „Ziggy Stardust“ und „Telegram Sam“ präsentiert, die man der Band irgendwie nie übelnahm – sie funktionierten als ernstgemeinte Glam-Hommage.

Bauhaus, die sich, so munkelt man, nach vielen bandinternen Querelen wieder einigermaßen vertragen, wirken am Montag auf der Bühne harmonisch, cool und freundlich zugleich. Der angeblich tatsächlich einst zum Sufismus konvertierte Pete Murphy springt zwar nicht mehr wie ein Derwisch über die Bühne, aber er röhrt seine Gothic Tales immerhin mit zwei Stents im Herzen – nach einem Infarkt vor drei Jahren musste er operiert werden.

Dass Murphys Gesicht, schmal, ausdrucksstark und würdevoll, damals angeblich das Vorbild für sowohl den Titelcharakter des Comicbuchs „The Crow“, als auch für „Dream“ aus Neil Geimans momentan durch die Netflix-Adaption viel besprochenem „The Sandman“-Epos gewesen sein soll, macht ohnehin klar, was Sache ist: Bauhaus werden uns noch alle überleben.

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